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Schauspielerin Nadja Uhl ist „am FKK-Strand aufgewachsen“

Nadja Uhl schlüpft in der TV-Serie „ZERV“ in die Rolle einer Ost-Kommissarin. Die Schauspielerin ist selbst in der DDR aufgewachsen. Im Interview spricht sie über ihr damaliges Leben, Vorurteile und über ihren 50. Geburtstag.

Nadja Uhl spielt in "ZERV - Zeit der Abrechnung" die Kriminalkommissarin Karo Schubert.. © ARD/Merav Maroody
Nadja Uhl spielt in "ZERV - Zeit der Abrechnung" die Kriminalkommissarin Karo Schubert.. © ARD/Merav Maroody

Die Wende wurde bereits in vielen deutschen Produktionen thematisiert. Dennoch ist es mit der neuen Serie „ZERV – Zeit der Abrechnung“ gelungen, ein relativ unbekanntes Kapitel zu beleuchten. Denn die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (Abkürzung: „ZERV“) ist vielen kein Begriff. Die polizeiliche Sonderkommission, die es ab 1991 gegeben hat, ging bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2000 Wirtschafts- und Regierungskriminalität nach und arbeitete strafrechtlich die SED- und DDR-Vergangenheit auf. Die Anfänge von „ZERV“ werden in der sechsteiligen Serie beleuchtet, die ab dem 22. Februar im Ersten zu sehen ist.

Neben einer spannenden Handlung trumpft die Produktion mit einem hochkarätigen Cast auf. Während Fabian Hinrichs (48) den westdeutschen Peter Simon, Fachmann für Wirtschaftskriminalität, spielt, ist Nadja Uhl (49) als die Ost-Kommissarin Karo Schubert zu sehen. Trotz der Vorurteile müssen die beiden zusammenarbeiten, um den Verbrechern das Handwerk zu legen. Uhl ist selbst in der DDR groß geworden. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht die Schauspielerin über ihre Kindheit in Ostdeutschland und aktuelle Spaltungen in der Gesellschaft. Außerdem verrät Uhl, warum sie keine Angst vor ihrem 50. Geburtstag hat.

Sie spielen in der neuen TV-Serie „ZERV“ Kriminalhauptkommissarin Karo Schubert. Was hat Sie an der Rolle und am Drehbuch gereizt?

Nadja Uhl: Als ich das Drehbuch zum ersten Mal gelesen habe, erschien mir die Figur sehr sympathisch – eine starke und witzige Frau. Aber nach dem ersten Lockdown hatte sich das Buch verändert und ich habe mit dem Charakter plötzlich gefremdelt. Regisseur Dustin Loose [geb. 1986 in Bonn, Red.] und Drehbuchautorin Kim Zimmermann waren offen für meine Bedenken. Ich war zunächst unsicher, wie ich diesen zwei jungen, im Westen sozialisierten Menschen, vermitteln soll, was ich meine. Dass man beispielsweise in diktatorischen Verhältnissen einen ganz speziellen Galgenhumor entwickeln kann. Und dass die Menschen in der DDR auf ihre Art cool waren. Aber, nach einer Woche, kam ein super Buch. Die beiden hatten großartige Ideen. In 30 Berufsjahren war das eine besondere Erfahrung.

Wie war die Zusammenarbeit mit Ihrem Co-Hauptdarsteller Fabian Hinrichs?

Uhl: Die Entwicklung unserer Figuren im Film spiegelt auf einer Mikroebene auch ein bisschen unser Verhältnis wider. Man nähert sich an und es gibt erstmal kleine Reibereien. Aber wir sind ein Dreamteam geworden. Ich spiele sehr gern mit Fabian. Ich kenne auch seine Familie und mag sie sehr. Am liebsten würde ich morgen wieder mit ihm drehen. Wir haben beim Dreh stundenlang im alten Wartburg zusammengesessen und gequatscht. Wir haben auch mal in der Maske Prosecco getrunken – zusammen mit unseren Maskenbildnern. Das alles in diesen surrealen Corona-Situationen. Das Land ging unter und wir haben zitternd bei Eiseskälte, wie in einem Vakuum, unseren Sommer-Film gedreht. Da war das ein schöner Moment.

In der Serie, die sich um die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität („ZERV“) dreht, stehen sich West- und Ost-Beamte skeptisch gegenüber, haben Vorurteile. Glauben Sie, dass sich das inzwischen ganz gelegt hat?

Uhl: Manchmal tauchen Vorurteile noch auf. Aber es ist mittlerweile in den Hintergrund gerückt, weil wir andere Probleme haben. Die Gesellschaft ist nicht mehr nur in Ost und West aufgeteilt – sondern in vielen Bereichen gespalten. Es stellt sich mehr die Frage, wie wir menschlich und tolerant bleiben können. Es wird viel über Toleranz gesprochen, aber die Gesellschaft wird immer intoleranter. Die Ost-West-Feindlichkeit ist nur noch ein Bruchteil dessen, was es insgesamt für Feindseligkeiten gibt. Wenn du jemanden idiotisch findest – ist doch egal. Idioten gab es schon immer. Aber muss er deshalb vollkommen erniedrigt werden? Nein. Momentan müssten wir mehr denn je sagen: Leben und leben lassen. Nicht nur Toleranz und Vielfalt predigen, sondern diese auch leben. Es ist wichtiger denn je, eigene Werte zu prüfen und nicht nur recht haben zu wollen. Zu den eigenen Werten zu stehen, aber sie dem anderen nicht überstülpen zu wollen. Angefangen bei dem Ost-West-Konflikt – dass nicht jeder dem anderen zeigen will, dass er besser ist. Aber es kommt derzeit zu einer anderen Spaltung innerhalb der Gesellschaft, zu neuen Stigmatisierungen. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen nicht mitmachen.

Meinen Sie damit auch die Spaltung der Gesellschaft aufgrund der Corona-Pandemie bzw. der Diskussion ob Impfung oder nicht?

Uhl: Viele Dinge werden momentan wieder unsagbar. Das ist eine Entwicklung seit 1990, die wir nicht hinnehmen sollten – unabhängig von Position, Hautfarbe und Herkunft. Nicht pseudo tolerant und pseudo bunt, sondern echt tolerant und echt bunt. Wissen Sie, ich habe mit 17 alternative Musik und Postpunk gehört und mich in dunklen Clubs herumgetrieben. Ich war eine gute Schülerin – musste ich sein, um Schauspiel zu studieren. Wir jungen Leute haben irgendwie zusammengehalten, um der Kontrolle, der staatlich verordneten Spießigkeit, um der Enge der DDR zu entfliehen. Ich möchte keine neue Spießigkeit.

Die Serie spielt kurz nach der Wende (1991). Was oder welche Emotionen verbinden Sie mit dem Mauerfall?

Uhl: Die Welt öffnete sich, es war unglaublich. Ich hatte eine schöne Kindheit in der DDR, hatte eine warmherzige Familie und die Lehrer waren super. Es ist nicht immer alles Schwarz-Weiß. Meine Familie hat Umweltsünden in der DDR aufgedeckt. Darauf bin ich bis heute stolz. Das hat damals allerdings auch tiefe Wunden in die Familien gerissen.

Gibt es etwas, das Sie aus dieser Zeit vermissen?

Uhl: Das Eindämmen von Kriminalität und Gewalt hatte die DDR besser im Griff – so machte es zumindest den Eindruck. Zudem vermisse ich den Umgang mit Kindern. Es gab in der DDR keine Kinderarmut. Die soziale Ungleichheit, gerade unter Kindern, finde ich wirklich schlimm. Aber ich vermisse auch den offenen Umgang mit Nacktheit. Ich bin sozusagen am FKK-Strand aufgewachsen. Nach der Wende standen Menschen aus dem Westen am FKK-Strand und haben sich beschwert, dass wir nackt rumrennen. Das finde ich sehr bedauerlich. Nacktheit wird heute mit Pornografie verbunden. Das ist ein Rückschritt, lächerlich und prüde.

Karo Schubert ist eine Mutter, die ihrer Tochter sämtliche Freiräume lässt und sie immer unterstützt. Was ist Ihnen bei der Erziehung wichtig?

Uhl: Als Mutter hat man manchmal das Gefühl, alles falsch zu machen. Man muss sich immer selbst reflektieren und leben, was man predigt. Ich habe mich immer bemüht, meinen Kindern Wertschätzung entgegenzubringen. Sie müssen in diesem Leben nichts für mich leisten. Für mich als Mama reicht es, wenn sie atmen. Damit habe ich versucht, den Kindern Eigenständigkeit und geistige Freiheit zu vermitteln. Aber es gibt Grenzen, an die wir stoßen. Wenn ich laut werde, weil der Geschirrspüler nicht ausgeräumt ist, oder sowas in der Richtung. Wir haben vor Jahren ein Schimpfverbot eingeführt. Unsere Kinder dürfen, wenn sie Mist gebaut haben, das Verbot einsetzen. Dadurch wissen sie, dass sie sich in Notsituationen an uns wenden und uns vertrauen können. Ich werde auch immer für sie da sein. Aber sie müssen ihre Bestimmung selbst finden. Was ich an der Figur Karo Schubert in dem Zusammenhang übrigens mag: Sie zeigt, dass man eine liebe Mama sein kann – ohne eine Glucke zu sein. Man ist nicht nur eine Mutter, sondern auch Frau. Man kann mütterlich und sexy sein.

Am 23. Mai steht Ihr 50. Geburtstag an. Haben Sie schon etwas geplant?

Uhl: Ich habe meinen Geburtstag selten gefeiert. Das war mir immer zu anstrengend. Ich hatte das Gefühl, zum 50. muss ich etwas machen – dann habe ich mich gefragt, warum eigentlich? Meine Freunde kann ich auch so treffen. Für mich ist es auch angenehmer, wenn es nicht um mich geht. Vielleicht mache ich einfach, was ich am liebsten mache – in die Natur gehen. Die Pläne hängen auch davon ab, welche Corona-Beschränkungen gelten. Vielleicht ist es auch Selbstschutz – man will sich nicht auf etwas freuen, dass dann gar nicht möglich ist. Ich weiß deshalb noch nicht, ob ich still am Strand mit meiner Familie feiere oder eine Techno-Party plane.

Die Zahl 50 macht Ihnen also keine Angst?

Uhl: Noch nicht, vielleicht kommt es nach unserem Gespräch. Man wird nicht frischer oder knackiger. Aber mir ist es eigentlich egal, ob ich 50 oder 60 bin – vielleicht ändert sich das noch. Ich habe zum Alter kein richtiges Verhältnis. Außer ich sehe Filmbilder und denke mir: „Ich sehe ja aus wie 30 Jahre Schnee.“ Da bin ich auch eitel, ich möchte mich schön fühlen. Aber das Gute ist: Ich bin mit mir halbwegs im Reinen. Ich bin nicht die tollste Frau der Welt, aber ich finde mich in Ordnung und schön. Ich habe mich gern und das möchte ich mit 50 zelebrieren.

(amw/spot)

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