Der Begriff Ozonloch bezeichnet in erster Linie eine 1985 entdeckte Ausdünnung der Ozonschicht über der Antarktis. Dieser Bereich der Erdatmosphäre verfügt über eine hohe Konzentration an Ozon (O3) und absorbiert einen großen Teil der stellaren UV-Strahlung, bevor diese auf die Erdoberfläche trifft. Aufgrund dieser und anderer Eigenschaften hat das Ozon großen Einfluss auf die Temperatur der Stratosphäre. Allerdings ist das Loch über der Antarktis längst nicht die einzige Stelle, die uns zu denken geben sollte. Denn auch Ausdünnungen über der Arktis nehmen großen Einfluss auf das irdische Wetter.
Studie: Ozonloch bewirkt Anomalien
Zuletzt maß man eine solche Ausdünnung über dem Nordpol im Frühjahr 2020, davor Anfang 2011. Ein Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat festgestellt, dass jedes Mal, wenn das nördliche Ozonloch größer wurde, auch die Wetteranomalien auf der Nordhalbkugel zunahmen. Besonders ausgeprägt waren 2020 etwa Hitze und Trockenheit in Mittel- und Nordeuropa sowie Russland – speziell in Sibirien.
Seit Jahren schon herrscht in der klimawissenschaftlichen Gemeinschaft eine rege Diskussion darüber, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Zerstörung des stratosphärischen Ozons und den beobachteten Wetteranomalien gibt. Daher unterscheiden sich häufig auch die aus entsprechenden Studien gewonnenen Ergebnisse und Schlussfolgerungen.
Thomas Peter, Professor der Atmosphärenchemie an der ETH Zürich, und seine Kolleginnen und Kollegen führten daher eine ganze Reihe an Simulationen durch. Dabei integrierten sie den Ozonabbau in zwei unterschiedliche Klimamodelle. Normalerweise berücksichtigen solche Modelle nur physikalische Faktoren, nicht aber Schwankungen des Ozongehalts der Stratosphäre. Die neuen Simulationen nehmen aber auch diesen Faktor mit auf. Gemeinsam mit der Princeton University und anderen Institutionen veröffentlichte das Team um Peter seine Forschungsarbeit im Fachjournal Nature Geoscience.
Forscher zeigt sich „überrascht“
Die Ursache für die 2011 und 2020 auf der Nordhalbkugel beobachteten Wetteranomalien sei hauptsächlich das Ozonloch über der Arktis, heißt es in der Studie. Die aus den Simulationen gewonnenen Daten stimmen weitgehend mit jenen Beobachtungen überein, die man in den Jahren 2011 und ’20 machte. Ähnliches gilt für acht weitere vergleichbare Fälle. Ließen die Forschenden den Ozonabbau in ihren Untersuchungen aber außen vor, ließen sich die Beobachtungen nicht reproduzieren.
„Was uns aus wissenschaftlicher Sicht am meisten überrascht hat, ist, dass die Modelle, die wir für die Simulation verwendet haben, zwar völlig unterschiedlich sind, aber dennoch ähnliche Ergebnisse liefern“, zitiert eine Pressemitteilung der ETH Mitautor Gabriel Chiodo. Er ist SNF Ambizione Fellow am Institut für Atmosphären- und Klimawissenschaften der Hochschule.
Von ihren Erkenntnissen erhoffen sich die Forscherinnen und Forscher künftig genauere saisonale Wetter- und Klimavorhersagen. Das sei vor allem für die Landwirtschaft sehr wichtig, betont Chiodo. „Es wird interessant sein, die zukünftige Entwicklung der Ozonschicht zu beobachten und zu modellieren“, ergänzt die Doktorandin Marina Friedel. Noch sei nicht klar, ob und wie sich das Ozonloch erholen könnte.
Quellen: „Springtime arctic ozone depletion forces northern hemisphere climate anomalies“ (Nature Geoscience, 2022); ETH Zürich
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