Die Geburtenrate mag zwar seit Jahren in verschiedenen Nationen rückgängig sein, doch das gleichen andere mehr als aus. Insgesamt befindet sich die Menschheit immer noch im rapiden Wachstum und hat erst Ende 2022 die Marke von acht Milliarden überschritten. Das steht im drastischen Kontrast zu neuen Forschungsergebnissen, die besagen, dass wir vor langer Zeit beinahe ausgestorben wären.
Menschheit: Weltbevölkerung von nur knapp 1.300
Zu diesem Schluss ist jetzt ein Forschungsteam gekommen, das für seine neue Studie eine umfassende Genom-Analyse von mehr als 3.000 lebenden Menschen durchgeführt hat. Anhand dessen fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass es vor etwa 800.000 bis 900.000 Jahren zu einem schweren evolutionären Flaschenhals für die Menschheit gekommen sein muss.
Zu diese Zeit sollen nur etwa 1.280 fortpflanzungsfähige Menschen auf der Erde gelebt haben – und das für ganze 117.000 Jahre. Die Zahlen würden sehr an jene von aktuell vor dem Aussterben bedrohten Tierarten erinnern. Allerdings glaubt man, dass die existenzielle Krise die Entstehung eines neuen Vorfahren – den Homo heidelbergensis – begünstigt habe. Dieser ist ein gemeinsamer Verwandter des Homo sapiens, den Neandertalern und den Denisova.
Auch spannend: Ein Forscher ist der Meinung, dass der Menschheit ein großer Kollaps droht. Er könnte früher eintreten, als man denken möchte.
Schweres Klimaereignis hätte Menschheit fast ausgelöscht
Dass die damalige Population überleben konnte, ist aus heutiger Sicht ein glückliches Ereignis – schließlich hätte nur eine Katastrophe alles beenden können. Tatsächlich sollen große klimatische Veränderungen für die drastische Abnahme an Menschen verantwortlich gewesen sein. Zu der damaligen Zeit sollen sich Vergletscherungen in langfristige Prozesse verwandelt haben, die Wasseroberflächentemperatur hätte abgenommen und zudem könnte es zu langen Dürren in Afrika und Eurasien gekommen sein.
Der Flaschenhals soll sich zeitlich mit einer relativ leeren Periode an fossilen Funden überschneiden. Soll heißen: Aus dieser Zeit sind so gut wie keine Überreste gefunden worden, was sowohl für Afrika als auch Eurasien gelte. Der englische Professor Chris Stringer, der nicht Teil der Studie war, glaubt aber laut eines Berichtes des Guardian nicht daran, dass es eine weltweite Leerstelle an fossilen Resten von frühen Menschen gebe. Er glaubt an ein sehr lokales Phänomen: „Vielleicht saß die Flaschenhals-Population in einem Gebiet Afrikas umgeben von Wüste fest.“
Gensequenzen als historische Spurensuche
Für die Untersuchung hat die Forschungsgruppe Genomsequenzen von zehn afrikanischen und 40 nicht-afrikanischen Populationen analysiert. Indem man sich verschiedene Genvarianten über eine ganze Population anschaut, ist es möglich, eine grobe Datierung vorzunehmen, wann bestimmte Gene erstmals in der Menschheit auftraten.
Je mehr Zeit verstrichen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass neue Genvarianten entstanden sind. Schaut man dann auf die Frequenz, mit welcher bestimmte Gene über die Zeit aufgekommen sind, erhält man Einblicke darin, wie frühere menschliche Zusammenschlüsse wuchsen und schrumpften.
Dabei fand man Beweise für einen evolutionären Flaschenhals in allen afrikanischen Genomsequenzen und nur ein schwaches Signal bei den anderen. Das könnte allerdings daran liegen, dass die nicht-afrikanischen Menschen bei ihrer Migration aus Afrika heraus eine separate Bevölkerungsverknappung erlebten, die dann die vorherige verdeckt. Als Nächstes möchten die Forschenden nun auf Basis der neuen Ergebnisse schauen, wo und wann sich die verschiedenen menschlichen Vorfahren auseinanderentwickelt haben.
Quelle: „Genomic inference of a severe human bottleneck during the Early to Middle Pleistocene transition“ (Science 2023), The Guardian
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