Das soziale Netzwerk Jodel wurde 2014 von dem damaligen Studenten Alessio Borgmeyer gegründet und war ähnlich wie Facebook zunächst als Austauschbörse für Studenten gedacht. Innerhalb eines halben Jahres erreichte die App 100.000 Nutzer. Das besondere an Jodel ist, dass es per GPS den Standort des Nutzers erkennt, und dann Personen in einem Zehn-Kilometer-Umkreis miteinander verbindet.
Jodel funktioniert anonym
Der Reiz liegt darin, dass Jodel in gewisser Weise Einblicke in das Leben der unmittelbaren Nachbarn gewährt. Zu Recherchezwecken, natürlich, habe ich mich auf die Plattform begeben – und verstand zunächst kaum etwas. Die Jodel-Community hat mittlerweile eine Art eigenen Sprachcode entwickelt, den man als Neuankömmling erst einmal durchdringen muss. Zunächst aber zu den Eckdaten der App.
- Bei Jodel muss man keinen Account anlegen.
- Das Netzwerk funktioniert anonym.
- Derjenige, der den Post veröffentlicht hat, heißt „OJ“ (Original Jodler).
- Die Kommentatoren des Posts bekommen Nummern zugewiesen.
- Die Posts können von anderen Nutzern positiv oder negativ bewertet werden.
- Sobald ein Post eine zu niedrige Bewertung hat, wird er automatisch aus dem Stream gelöscht.
- Die Jodel-Nutzer können für positiv bewertete Posts jedoch Karma-Punkte sammeln.
Neue Jodel-Funktionen
Die Karma-Punkte stellen dabei eine Anzeige dar, die dem Nutzer verdeutlicht, wie gut er mit der Community interagiert. Je mehr man postet, desto mehr Punkte bekommt man logischerweise, vor allem durch Up-Votes der eigenen Posts durch andere Nutzer. Wer eher passiv bleibt, bekommt weniger Punkte. Kaufen kann man sich von den Karma-Punkten jedoch nichts.
Mein erster, und bisher einziger, eigener Jodel-Beitrag ließ mein Karma jedoch schlagartig in den Keller sinken. In selbstironischer Jodel-Manier, so dachte ich, erzählte ich von meinem Anfangs-Fauxpas, als ich noch dachte, OJ sei ein Username (ich war wohl zu beeinflusst durch andere Online-Netzwerke, auf denen man noch schnöde Usernames benutzt). Prompt wurde ich von der Community daraufhin für dumm erklärt und mein Post gnadenlos herunter-gevotet. Jodel, so lernte ich, ist nicht immer ein Ort für zarte Gemüter.
Mittlerweile gibt es weitere Funktionen, wie beispielsweise die sogenannte Heimatfunktion. Diese erlaubt es, Jodel-Posts von einem bestimmten Ort mitzuverfolgen oder Posts für diesen Ort zu verfassen, auch wenn man sich weiter weg als zehn Kilometer davon aufhält. Für solche Heimat-Posts kann man jedoch keine Karma-Punkte sammeln, um Reposts zu verhindern.
Über den Traveller-Feed, der seit Sommer 2017 existiert, kann man sich als Tourist über Jodel mit anderen Touristen verknüpfen, die gerade in derselben Gegend sind. Durch das Setzen von Hashtags kann man darüber hinausgezielt nach Themen suchen, die in sogenannten Channels gesammelt werden.
Jodel als Handbuch zum Thema „erwachsen sein“
Als ich das erste Mal auf Jodel unterwegs war, fielen mir viele Posts auf, die wohl unter der Rubrik Lebenshilfe zusammengefasst werden könnten. Ein Jodler jodelte etwa, dass seine Oma ihm den Tipp gegeben hat, den Kühlschrank am besten jetzt, wo es draußen so kalt ist, abzutauen. Dann kann man, während man ihn putzt und aufräumt, die Lebensmittel einfach ans Fenster stellen und sich Zeit lassen.
Ein anderer Jodler weist kurz und knapp darauf hin: „Links gehen. Rechts stehen. Für alle Rolltreppen.“ Wiederum ein anderer fragt die Community sogar, was er tun soll, da seine Freundin mit ihm zusammen ziehen möchte, er jedoch noch nicht mit ihr.
Lustiges und Ernsthaftes auf Jodel
Neben solchen semi-ernsthaften und semi-nützlichen Lebenshilfe-Posts, scheint Jodel eine Plattform für mehr oder weniger begabte Hobbypoeten und Wortkünstler zu sein. So jodelt ein Nutzer: „Ich verliebe mich alle 11 Minuten in einen neuen Drink. Ich barshippe jetzt.“ Dazu setzt er/sie den Hashtag #flirtenkannich.
Daneben besteht Jodel hauptsächlich aus Eindrücken aus dem Leben der Nutzer, mal in Text-, mal in Bildform. Häufig sind die Posts in ironischem Ton gehalten. Manchmal sind sie jedoch auch durchaus ernsthaft. Derzeit geht etwa die Geschichte einer Jodlerin aus Paderborn durch die Medien, die ihre Krebserkrankung von der Diagnose bis zu ihrem Tod vor einigen Tagen mit der Jodel-Community teilte.
Ihre Jodel animierten viele andere Nutzer dazu, sich bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) typisieren zu lassen und somit potentiell anderen Betroffen zu helfen. In diesem Sinne kann das soziale Netwerk, das auf den ersten Blick als lediglich amüsante Plattform zum Zeitvertreib und zum Kennenlernen daherkommt, auch wirklich nützlich sein.
Viele Jodel-Nutzer suchen über das Netzwerk auch Kontakte, nicht nur für Dates, sondern für alle möglichen Arten der Unternehmung. Einige Jodler fragen beispielsweise, ob jemand mit ihnen zum Sport gehen oder Videospiele spielen will.
Die sprachliche Kreativität von Jodel
Die Jodel-Posts sind häufig durchaus kreativ und witzig, wozu der Jodel-eigene Jargon definitiv beiträgt. Posts über Haustiere sind beliebt. Eine Katze heißt auf Jodel aber nicht einfach Katze, sonder Gadse. Ein Hund ist dementsprechend natürlich eine Bellgadse.
Wie gesagt ist Jodel nicht immer eine Plattform für zarte Gemüter. Wer von dem Sexleben seiner Mitmenschen nichts wissen will, sollte die App meiden. Mit dem Hashtag DLRH ist keinesfalls ein neuer Paketdienst gemeint. DLRH steht für „Den Lörres rein halten“ und meinte ganz simpel: Sex haben.
Auch für den Gegenpart zum „Lörres“, gibt es einen eigenen Jodel-Begriff. Dieser lautet „Mörres“. Da einige Posts auf Jodel als eher unwahrscheinlich daher kommen, hat die Community auch hierfür verbale Abhilfe gefunden. Mit dem Hashtag #Paulaner werden erfundene Geschichten markiert, angelehnt an die Paulaner-Werbespots „Geschichten aus dem Paulanergarten“.
Eine wahre Begebenheit bekommt auf Jodel deshalb den Hashtag #Warsteiner oder auch #Wahrsteiner. Gerne wird auf Jodel auch das Internet-Meme um Justus, den Jurastudenten aus reichem Hause, übernommen. Wer viel auf Jodel unterwegs ist, kennt Justus und weiß, dass ihm folgender Satz gerne in den Mund gelegt wird: „Was haben Vater und ich doch herzlich gelacht.“
Jodel bietet Einblick in die Gedanken der Millenials
Jodel ist ein wirklich unterhaltsamer Ort, der einen Einblick gibt in die Kreativität und die Gedankenwelt der Generation der sogenannten Millenials. Diese stellen die Hauptnutzergruppe der Plattform dar. Jodel bietet nicht nur sinnlose und/oder ironische Inhalte, sondern dient durchaus als Forum, um sich über das Leben und seine Alltäglichkeiten auszutauschen und auch dazu, Hilfe oder Zuspruch zu bekommen.
Die vielen sprachlichen Insider stellen zunächst vielleicht eine kleine Hürde dar. Da sie aber häufig an allgemein bekannte gesellschaftliche Begebenheiten angelehnt sind, und sehr lautsprachlich daherkommen, sind sie beinahe ein eigenes Kunstwerk.