Beim Thema Elektroautos gehen die Expert:innen-Meinungen zuweilen stark auseinander. Ein Forscher aus Zürich sieht in Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb sogar ein gefährliches Potenzial. Dabei klärt er unter anderem darüber auf, dass der Hype um solche als eigentlich umweltfreundlich geltenden Stromer überraschenderweise auch durch die Öl- und Gasindustrie befeuert werden soll.
Elektroautos mit Wasserstoffantrieb: Eine „schlechte Idee“
„Unsinn“, „großer Schwindel“ oder auch „der letzte Schwachsinn“ – bekannte Persönlichkeiten wie Hans-Werner Sinn, Peter Thiel oder auch Jean Pütz fanden bereits eindeutige Worte für reine Elektroautos und deren Entwicklung. Damit sind sie nicht allein, denn auch E-Autos mit Wasserstoffantrieb sind für mindestens einen Experten eine eher fragwürdige Erscheinung.
Anthony Patt ist Professor für Klimapolitik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich). In einem offiziellen Blogbeitrag erläuterte er, warum Wasserstoff in seinem Augen sowohl „eine schlechte Idee für Bodentransport“ (zum Beispiel durch Elektroautos mit Wasserstoffantrieb) sowie „eine der ernsthaftesten Bedrohungen dieser ganzen Maskerade als Freund sauberer Energien“ ist. Sein alternativer Lösungsvorschlag: die direkte Nutzung erneuerbarer Elektrizität.
Patt argumentiert zunächst damit, dass Wasserstoff ein Energieträger und keine Energiequelle sei, das heißt produziert werden muss. Dies gehe (bisher) nur auf drei entweder umweltschädigende oder nicht-effiziente Arten:
- Als grauer Wasserstoff: Gewonnen aus Methan in einem Prozess, der zu CO2- und flüchtigen Methanemissionen führt
- Als blauer Wasserstoff: Wie grauer Wasserstoff, aber mit Kohlendioxidabscheidung und Lagerung zur Reduktion von CO2-Emissionen
- Als grüner Wasserstoff: Erzeugt aus Wasser unter Verwendung erneuerbarer Elektrizität ohne direkte Emissionen und einzig klimafreundliche Option
Diese Probleme machen blauer und grüner Wasserstoff
Das erste Problem ist laut Patt, dass selbst blauer Wasserstoff höhere Treibhausgasemissionen besitzt als jedes Öl oder natürliches Gas, das er ersetzt. Und auch grüner Wasserstoff ist nicht ohne Fehler. Denn in den meisten Fällen wäre es effizienter, kostengünstiger und weniger ressourcenfressend, direkt auf erneuerbare Energien zurückzugreifen.
Am Beispiel von Elektroautos erklärt Patt, dass batteriebetriebene Fahrzeuge (BEV) gegenwärtig bereits wettbewerbsfähig sind was Benziner und Dieselfahrzeuge betrifft. Bedenken über umwelttechnische Folgen der Batterieherstellung ließen sich durch wirtschaftliche Kreislauflösungen adressieren, und die Kerninfrastruktur zum Laden von BEVs existiere bereits.
Warum also Wasserstoffantrieb für Elektroautos nutzen?
Laut Patt liege der primäre Vorteil solcher Fahrzeug darin, dass sie schneller aufladbar sind als BEVs. Der erste Nachteil sei dagegen, dass ihr Gesamtwirkungsgrad (Elektrizität zur Herstellung grünen Wasserstoffs, zurück zu Elektrizität für den Antrieb der Räder) nur ein Drittel bis die Hälfte dessen von Elektroautos mit Batterie betrage. Höhere Energienutzung mache sie zudem noch teuerer im Vergleich zu BEVs, Dieselfahrzeugen oder Benzinern. Auch wäre eine extensive neuen Infrastruktur für die Verteilung von und das Betanken mit Wasserstoff nötig.
Tipp: Wasserstoffauto vs. Elektroauto: Welcher Antrieb ist besser?
Trotz der Argumente, die gegen Elektroautos mit Wasserstoffantrieb sprechen, gebe es dennoch eine „große Menge an politischem Enthusiasmus für Wasserstoff“, erklärt Patt weiter.
So sind einige Anwendungsbereiche für Wasserstoff zwar durchaus sinnvoll um weniger Kohlenstoffdioxid zu produzieren. Der eigentliche Hype scheint seiner Meinung nach aber vom Wirtschaftslobbyismus auszugehen.
„Die europäische Wasserstoff-Lobby gibt jedes Jahr über 50 Millionen Euro aus. Wasserstoff ist die letzte beste Chance für das Überleben der Öl- und Gasindustrie.“
Anthony Patt, Professor für Klimapolitik, ETH Zürich
Der Grund: Wasserstoff im politischen Prozess zu priorisieren, würde den Übergang zu erneuerbaren Energien, der die entsprechenden Industrien obsolet macht, verlangsamen. Sollte die Nachfrage nach Wasserstoff schneller wachsen als das Angebot an erneuerbaren Energien um grünen Wasserstoff zu produzieren, müssten wir auf grauen und blauen Wasserstoff zurückgreifen, dessen Herstellung auf natürlichem Gas beruht. Die primären Fähigkeiten der fossilen Energieindustrie liegen zudem darin, Treibstoffe zu verarbeiten, zu lagern und durch Pipelines an Kunden zu liefern.
Quellen: ETH Zürich/Anthony Patt