Wer heutzutage einzig auf Facebook unterwegs ist, gilt als vom Puls der Zeit abgehängter Boomer. Dabei hat sich das Zuckerberg-Imperium nicht nur gehalten sondern konnte mit Instagram und WhatsApp sogar expandieren. Von einer Vielzahl sozialer Netzwerke im Internet kann man das allerdings nicht behaupten. Das „Uh-Oh“ von ICQ ist 2021 kaum noch hörbar, der Gruschel-Button auf StudiVZ ist inzwischen ganz verschwunden. Manche der Social-Network-Dinosaurier sind zwar noch online, weil die digitale Musik heute aber woanders spielt, nutzt sie kaum noch jemand aktiv. Das sind berühmtesten in Vergessenheit geratenen Sozialen Netzwerke.
Six Degrees (1997)
Als das Internet für alle noch in den Kinderschuhen steckte, existierte bereits das sogenannte Kleine-Welt-Phänomen. Das auf den ungarischen Schriftsteller Frigyes Karinthy (1887-1938) zurückgehende Konzept besagt, dass jeder Mensch der Welt jeden anderen über höchstens sechs Ecken kennt. Dieser Idee hatte das Netzwerk seinen Namen zu verdanken. Zu seinen besten Zeiten hatte das New Yorker Unternehmen 3,5 Millionen registrierte Mitglieder und mehr als 100 Mitarbeiter. Nachdem es 2001 offline ging, gab es 2010 ein Comeback: Seither ist Six Degrees wieder online – und zwar mit der gleichen Grundidee, die die Hype-App Clubhouse geschickt für ihr Marketing nutzt: Nur wer von Mitgliedern eingeladen wird, hat Zugriff auf die Plattform.
Jappy (2001)
Das allererste soziale Netzwerk aus Deutschland ging ursprünglich unter dem Namen Singletreffen.net als Flirtseite an den Start. 2002 folgte die Umbenennung in Jappy.tv, die Flirtfunktion blieb erhalten. Die heute als Jappy.de betriebene Seite ist im bayerischen Passau beheimatet. Zu seinen Spitzenzeiten in den 2000er Jahren hatte das Netzwerk eine Community von mehr als einer Million Nutzer und befand sich bis 2013 in den Top 20 der am meisten in Deutschland genutzten digitalen Netzwerke. Jappy ist weiterhin online, allerdings mit schwindenden Nutzerzahlen: 2019 wies das Unternehmen nur noch rund 230.000 aktive Nutzer aus.
Friendster (2003)
Zwar war Friendster bei seinem Launch 2003 für den deutschen Markt weniger relevant, dafür schlug das Netzwerk des kalifornischen Unternehmens, für damalige Verhältnisse, im englischsprachigen und asiatischen Raum sofort ein. In wenigen Monaten waren mehr als drei Millionen User registriert, bis 2008 wuchs diese Zahl auf mehr als 115 Millionen an, die Mehrheit von ihnen in Asien. Dennoch hatte die Plattform mit ihren Konkurrenten MySpace und Facebook zu kämpfen – und verlor. 2009 wurde Friendster für 26,4 Millionen Dollar an den asiatischen Internetriesen MOL Global veräußert, 2011 folgte ein Relaunch als Gamingseite, die nicht länger mit Facebook konkurrieren, sondern deren Angebot erweitern wollte. Mit überschaubarem Erfolg: Seit dem 1. Juli 2018 existiert das Unternehmen Friendster nicht mehr.
MySpace (2003)
MySpace war für viele Menschen die erste Social-Media-Erfahrung überhaupt. Der in den ersten Jahren sehr enge Bezug zur Musik und die von Künstlern und Bands angelegten Profile waren ein echter Usermagnet. Bis zu einer Viertelmillion neuer Nutzer verzeichnete das Netzwerk in Spitzenzeiten – und das täglich! 2006 knackte MySpace die 100-Millionen-Marke und etablierte sich als Platzhirsch der sozialen Medien. Gegen den Siegeszug von Facebook war allerdings auch MySpace chancenlos. Bereits 2008 überholte das Zuckerberg-Netzwerk MySpace, das sich nur mit noch mehr der ohnehin überall auf der Seite präsenten Werbung zu helfen wusste. Das Netzwerk ist bis heute online, allerdings nutzten die Seite 2019 nur noch rund sieben Millionen Menschen.
Lokalisten und StudiVZ (2005)
Weil die Vorherrschaft von Facebook in den 2000er-Jahren nicht ansatzweise so zementiert war, wie sie heute ist, gab es Raum für regionale Angebote. In Deutschland gingen deshalb die beiden Netzwerke Lokalisten und StudiVZ an den Start, wobei sich Ersteres an die breite Masse der Bevölkerung richtete, während die Zielgruppe von Letzterem Schüler und Studenten waren. Sowohl diese Herangehensweise als auch die optische Aufmachung von StudiVZ erinnerte stark an die Anfänge von Facebook, was zunächst zu einer Klage und anschließend zu einer außergerichtlichen Einigung führte. Das Lokalisten-Netzwerk war vor allem im städtischen Raum beliebt und hatte bis 2010 rund dreieinhalb Millionen User, bevor der Abstieg seinen Lauf nahm. 2016 ging die Seite offline. Ebensolang konnte sich StudiVZ halten, das zu seinen Hochzeiten 17 Millionen aktive User hatte. Sie mit den Ablegern SchülerVZ und MeinVZ bei der Stange zu halten, funktionierte nicht: Im September 2017 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.
Vine (2013)
Die von Twitter ins Leben gerufene Kurzvideo-Plattform Vine lockte bis 2015 mehr als 200 Millionen aktive Nutzer auf seine Plattform und half dabei, echte Berühmtheiten zu erschaffen. Brittany Furlan (34, „The Dirt“) beispielsweise, die viele Jahre einfach als das „Vine Girl“ bekannt war, generierte mit ihren Comedy-Videos über die Jahre Milliarden von Aufrufen. 2016 verließ die heutige Ehefrau von Tommy Lee (58, „Andro“) die Plattform – trotz zehn Millionen Followern, eine damals astronomische Zahl. So war sie ein Vorbote des Niedergangs von Vine, dessen Betrieb nur ein Jahr später eingestellt wurde. 2017 bot Twitter sämtliche Vine-Inhalte in einem Archiv an, allerdings ist auch dieser Service seit 2019 offline.