„Schmeckt’s?“, fragt Michael Rauterkus und blickt erwartungsvoll auf das Glas, das seine Assistentin soeben mit Wasser gefüllt hat. Selbstverständlich erwartet der Vorstandsvorsitzende des Sanitärarmaturenherstellers Grohe eine positive Antwort, schließlich kredenzt er gerade ein Produkt, das aus seiner Sicht „das Leben verändert“: Grohe Blue heißt es. Mineralwasser aus der Leitung.
Kein Kisten schleppen mehr
Kisten schleppen ist unangenehm, Trinkwasser kommt in Deutschland günstig und sehr gut kontrolliert aus dem Hahn, also hat Grohe ein System entwickelt, das Leitungs- in Sprudelwasser verwandelt. Mehr als 10.000 Einheiten sind bereits verkauft, und weil Grohe Blue so gut läuft, will Rauterkus nicht ausschließen, dass sein Unternehmen irgendwann sogar Leitungswasser mit Geschmack ins Portfolio aufnimmt.
Dank der Finanzinvestoren geht es jetzt besser
Auch bei Grohe ist der Fortschritt jetzt digital. Demnächst sollen 3-D-Drucker die Wasserhähne ausspucken. Messing auf diese Weise zu bearbeiten ist neu. Ein entsprechendes Patent befinde sich gerade im Anmeldeprozess, sagt Technikvorstand Thomas Fuhr. Die neue Technologie ermögliche unter anderem einen effektiveren Materialeinsatz und die Produktion von Spezialanfertigungen in kleineren Mengen.
Handeln wie ein Start-up
Neu ist auch Grohe Sense. Der untertassengroße Sensor schlägt Alarm, wenn Wasser dort auftaucht, wo es nicht auftauchen sollte. Die Version Sense Guard kann bei einem Leck oder Rohrbruch sogar die Wasserzufuhr automatisch unterbrechen. Grohe habe noch eine Menge Tüfteleien für die kommenden sechs bis acht Jahre in der Hinterhand, sagt Rauterkus. „Wir handeln wie ein Start-up.“ Ein Start-up mit einer mehr als 100 Jahre alten Geschichte und weltweit 6000 Mitarbeitern.
Gekauft von einem japanischen Baustoffkonzern
Vor ein paar Jahren hätte der ehemalige Vizekanzler und SPD-Politiker Franz Müntefering die Heuschrecke fast zum Grohe-Wappentier befördert. 2004 hatten internationale Finanzinvestoren das Unternehmen übernommen; sie verordneten Grohe einen schmerzhaften Sparkurs. Am Stammsitz im sauerländischen Hemer mussten Hunderte Mitarbeiter gehen, ein Werk im Osten Deutschlands wurde komplett geschlossen. Müntefering geißelte medienwirksam den internationalen Kapitalismus, der wie eine Plage über das ehemalige Familienunternehmen hergefallen sei. „Ich habe nichts gegen Heuschrecken“, sagt Michael Rauterkus heute. „Sie haben uns schlank gemacht.“ Und Grohe in einen attraktiven Übernahmekandidaten verwandelt: 2014 kaufte der japanische Baustoffkonzern Lixil Grohe für 3,1 Milliarden Euro. Damit zog eine neue Unternehmenskultur ein. „Lixil denkt langfristig. Die haben mich gefragt: Wie sieht euer 10-Jahres-Plan aus?“, sagt Rauterkus. „Das ist gut für uns.“
Mitarbeiter bekommen Jobgarantie
Nach dem Einstieg habe Lixil die Investitionen verdoppelt. Jetzt klagt Grohe über „positive Probleme“, wie der Chef sagt. „Wir brauchen Kapazität.“ Im Werk in Lahr/Schwarzwald fertigen die Mitarbeiter Duschköpfe schon im Drei-Schicht-Betrieb, gerade hat das Management mit ihnen ein Beschäftigungssicherungsprogramm abgeschlossen: Für kostenlose Mehrleistung bekommen sie eine Jobgarantie von zehn Jahren. Die Probleme könnten sogar noch positiver sein: Gebremst wird das Wachstum von Engpässen bei Handwerkern. Sie sind in Deutschland auf Monate ausgebucht.
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