In „Die Frau des Nobelpreisträgers“ spielt Glenn Close (74, „101 Dalmatiner“) die außergewöhnlich talentierte Ehefrau eines narzisstisch veranlagten Schriftstellers, der im fortgeschrittenen Alter den Literaturnobelpreis zuerkannt bekommt. Im Schatten des vermeintlichen Genies leidet sie still und mit Anmut, bis sie fast die Kontrolle verliert. Das Erste zeigt das preisgekrönte Filmhighlight am 13. Juli um 22:50 Uhr als Teil seiner Reihe „Sommerkino im Ersten“. Das späte Einschalten lohnt sich!
Das Ehepaar Castleman: Ein vermeintliches Genie und ein unterdrücktes Talent
Basierend auf dem Roman „Die Ehefrau“ von US-Autorin Meg Wolitzer (62) erzählt „Die Frau des Nobelpreisträgers“ die Geschichte von Joan Castleman (Glenn Close), der Ehefrau des Schriftstellers Joseph Castleman (Jonathan Pryce, 74), genannt Joe. In jungen Jahren selbst ein aufstrebendes Autorentalent, verabschiedete sie sich später aufgrund von Zweifeln daran, dass ihre Geschichten jemals den Weg an die Öffentlichkeit finden würden, von dem Traum, sich eine eigene Karriere aufzubauen. Stattdessen begann sie, als Ghostwriterin die Werke ihres Mannes – ihres ehemaligen Mentors an der Universität – zu schreiben. Als Castleman im fortgeschrittenen Alter den Literaturnobelpreis zuerkannt bekommt, brechen er und seine Frau nebst Sohn David (Max Irons, 35) zur Preisvergabe nach Stockholm auf, wo das vermeintliche Schriftstellergenie von allen gefeiert wird. Lediglich Nathaniel Bone (Christian Slater, 51), der den Auftrag hat, eine Biografie über den Nobelpreisträger zu verfassen, scheint die ganze Wahrheit inklusive Joes jahrelanger Untreue zu kennen – und will sie ans Licht bringen.
Hauptdarstellerin Glenn Close, die laut dem bekannten Kritiker Peter Bradshaw (59) vom britischen „The Guardian“ im Drama des schwedischen Regisseurs Björn Runge (60) die beste Leistung ihrer Karriere abliefert, wurde für ihre Darbietung 2019 mit einer Oscarnominierung bedacht. Damals musste sie sich der Britin Olivia Colman (47) geschlagen geben, die für „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ (2018) geehrt wurde. Bei den Golden Globes im gleichen Jahr machte die US-Amerikanerin Close jedoch das Rennen und gewann die Trophäe damit zum insgesamt dritten Mal.
Glenn Close‘ stilles Leid lässt das Publikum beinahe verzweifeln – bis sie explodiert
Die aus dem US-Bundesstaat Connecticut stammende Glenn Close gilt seit vielen Jahren als eine der besten Darstellerinnen Hollywoods und konnte bislang – obwohl sie stets leer ausging – insgesamt acht Oscarnominierungen einheimsen, zuletzt 2021 für „Hillbilly Elegy“ (2020). Zweifelsohne ist sie der Hauptgrund, warum „Die Frau des Nobelpreisträgers“ eine absolut sehenswerte und preisgekrönte Charakterstudie geworden ist, obgleich ihr mit dem großartigen Jonathan Pryce („Die zwei Päpste“) und dem in seiner Rolle des neugierigen Journalisten ebenso überzeugenden Christian Slater („Der Name der Rose“) zwei brillante Kollegen zur Seite gestellt wurden.
Close spielt ihre Rolle der gefassten Ehefrau, die würdevoll ihren Platz akzeptiert, bis sie fast die Kontrolle zu verlieren scheint, mit einer Ruhe, die den Zuschauer fast schon verzweifeln lässt – weiß er doch um den Schmerz, den Joan Castleman seit Jahren aufgrund der fehlenden Anerkennung und der Eskapaden ihres Gatten im Stillen ertragen muss. Erst während der Vergabe des Nobelpreises, bei der ihr Mann ihr öffentlich dankt, scheint sie kurz davorzustehen, die Kontrolle zu verlieren. Close erweckt hier sogar den Eindruck, als ob ihr fast schon schlecht wird. Anschließend durchlebt Joan eine wahrhaftige Lebenskrise, die jahrelang aufgestauten Emotionen übermannen sie wie ein plötzlich einsetzender Hagelschauer – und dann wird es hässlich zwischen den Castlemans, auch wenn ihre Liebe zueinander stets spürbar bleibt.
„Die Frau des Nobelpreisträgers“ regt zum Nachdenken an
Um welche Form der Liebe es sich hier genau handelt, muss der Zuschauer für sich selbst definieren, was mit ein Grund ist, weshalb das Drama lange im Gedächtnis bleibt. Die Darstellung der unterschiedlichen Charakterzüge von Joan und Joe Castleman regt zum Nachdenken an: über die Frage, warum die talentierte Schreiberin es so viele Jahre mit einem Ehemann ausgehalten hat, der sie offenbar ausnutzt und nach Strich und Faden betrügt. Oder darüber, ob wirklich Joan alleine das Opfer dieser Geschichte ist – und nicht auch Joe jahrelang gelitten hat. Denn dessen offensichtliche schriftstellerische Unzulänglichkeit schmerzt ihn selbst trotz seiner erlangten akademischen Grade vermutlich am meisten. Sucht er deshalb so verzweifelt und pausenlos nach Anerkennung – und das auch in fremden Betten? Und fällt es ihm deshalb so schwer, seinem eigenen Sohn, der in seine Fußstapfen tritt, das kleinste bisschen Lob auszusprechen?