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Free-TV-Premiere „Beale Street“: Frustrierend und aufmunternd zugleich

Wichtiges Zeichen: Wie seine Hauptfiguren will sich die Free-TV-Premiere „Beale Street“ trotz schwerer Thematik nicht ihren Optimismus nehmen lassen.

Alonzo "Fonny" Hunt (Stephan James) und Tish Rivers (KiKi Layne) sind seit ihrer Kindheit unzertrennlich. Foto: ©2018 Annapurna Releasing, LLC. All Rights Reserved.

1964 verabschiedete die USA den Civil Rights Act, der die Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen als illegal deklariert. Im selben Jahr bekam der afro-amerikanische Menschenrechtler Martin Luther King für seine Bemühungen den Friedensnobelpreis überreicht. Beides große Errungenschaften auf dem Papier. Erstmals in seiner jungen Geschichte schien es so, als habe das „Land der Freien und Heimat der Tapferen“ seinen hochtrabenden Namen auch verdient. Doch Filme wie „Beale Street“, der am 18. September seine Free-TV-Premiere auf 3sat feiert, halten uns dringend notwendig vor Augen, dass dem auch lange Zeit später nicht so war – und noch immer nicht ist.

Eine schicksalshafte Liebe

Harlem, 70er Jahre: Alonzo „Fonny“ Hunt (Stephan James, 27, „Selma“) und Tish Rivers (KiKi Layne, 29) kennen sich ihr gesamtes, noch so junges Leben. Und auch, wenn sie es erst viel später wussten, spürten sie immer: Wir sind füreinander bestimmt. Was stört es da, dass seine überreligiöse Familie ihre zarte Liebe mit Argwohn beäugt, sie aus ärmlichen Verhältnissen stammt und beide noch nicht so genau wissen, was die Zukunft außer des jeweils anderen bereithält? Nicht Geldsorgen oder Familienstreitigkeiten entpuppen sich als das größte Problem ihres Glücks, sondern der banalste und gleichzeitig frustrierendste Aspekt: ihre Hautfarbe.

Obwohl er die Tat unmöglich hat begehen können, wird Fonny wegen der Vergewaltigung einer Frau aus Puerto Rico ins Gefängnis gesteckt. Deren Zeugenaussage sei unter der massiven Einflussnahme eines weißen Polizisten entstanden, sind sich Tish und ihre Familie sicher. Doch das zu beweisen kostet nicht nur viel Kraft und Ellbogeneinsatz, sondern Geld. Was sie aber nicht davon abhält, den ungleichen Kampf einzugehen – zumal Tish schwanger ist und ihr Kind auf keinen Fall ohne Fonny aufwachsen soll. Außerdem, wie ihr Vater Joseph (Colman Domingo, 51) an einer Stelle zweckoptimistisch feststellt: „Wir hatten unser gesamtes Leben noch nie Geld – warum sollten wir uns jetzt auf einmal darum Sorgen machen?“

Das Glück ist einen Schmetterlingsschlag entfernt

Unschuldiger als zwischen Fonny und Tish könnte die Liebe nicht sein. Regisseur Barry Jenkins (41) inszeniert ihre Beziehung einerseits mit subtilen, schüchternen Blicken, andererseits mit glasklaren Liebesbekundungen: „Ich werde dir nie wehtun“, verspricht der erst 22-jährige Fonny seiner Tish, kurz bevor sie das erste Mal miteinander schlafen. Entgegen manch eines liebestollen Jungspunds, der seine Flamme nur ins Bett kriegen will, meint er es ernst. Das spürt Tish, das spürt der Zuschauer.

Schnitt. Ihre Unzertrennlichkeit trennt nun doch etwas: die Glasscheibe im Besucherraum des Gefängnisses, in dem Fonny sich wiederfindet. Erst dort erfährt er, in rund einem halben Jahr Vater zu sein – und bricht trotz seiner misslichen Lage in freudiges Gelächter aus. Gott werde es nicht zulassen, dass sein Familienglück auf so ungerechte Weise zerstört wird, ist er sich sicher. Um wenig später feststellen zu müssen: Die Wege des Herrn sind unergründlich.

Ensemble überzeugt fast ausnahmslos

Hervorzuheben sind die Darbietungen von Fonny-Darsteller Stephan James und KiKi Layne (Tish). Regisseur Jenkins rückt zuweilen bildschirmfüllend ihre Gesichter in den Mittelpunkt, in denen man von anfänglichem Optimismus bis hin zu purer Verzweiflung jede Emotion glaubhaft ablesen kann, zu der ein Mensch fähig ist. So schleicht sich selbst in den düstersten Stunden immer wieder ein herzhaftes Lachen zwischen den beiden ein. Wie es notwendig ist, wenn um einen herum alles zerfällt.

Schauspielerin Regina King (50), die Tishs Mutter Sharon spielt, erhielt für ihren Part den Oscar als „Beste Nebendarstellerin“. Ihre Figur kämpft an Fronten, an denen es ihre Tochter nicht kann: etwa in Puerto Rico, um sich mit dem Vater des Vergewaltigungsopfers – kurz aber großartig von „Game of Thrones“-Star Pedro Pascal (46) gespielt – zu unterhalten. Allein für deren herzzerreißendes Gespräch an einem Restaurant-Tisch hat sich King ihren Oscar verdient.

Viel zu überzeichnet wirken derweil Fonnys Verwandte, vor allem seine Mutter und seine zwei Schwestern. Deren verachtenswerter religiöser Fanatismus wird derartig mit der Brechstange übermittelt, dass der Zuschauer fast mit Fonnys Vater sympathisiert, als der seiner Frau einen heftigen Schlag verpasst. Und das geht gar nicht. So feinfühlig Jenkins die Liebe darbietet, so plump fällt die Religionskritik aus – und damit durch.

Bis heute relevante Sozialkritik

Besser macht er es bei der Sozialkritik. Fonny und Tish leben in einer Zeit, in der sie es als traurigen aber normalen Alltag ansehen, diskriminiert zu werden. Wodurch das ihnen widerfahrende Unrecht umso gravierender wird. „Wo ist der Haken?“, wundert sich Fonny, als er und Tish nach monatelanger Suche den Zuschlag auf eine Bruchbude von einer Wohnung bekommen. Dass es keinen gibt, können sie zunächst kaum glauben und schreien wenig später vor Glück. Nicht die Entrüstung über das Verwerfliche macht „Beale Street“ zu einem Film mit starker Aussage, sondern die überschwängliche Freude über das Selbstverständliche.

Fazit:

Mit „Beale Street“ ist Filmemacher Barry Jenkins nach „Moonlight“ ein weiterer Film gelungen, der neben seinen Hauptdarstellern vor allem mit seiner Inszenierung punktet. Er reicht aber nicht an den Oscargewinner („Bester Film“) von 2017 heran. Dafür überzeichnet er in einem subtilen Film einige Charaktere zu sehr.

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