Sonys Systemkameras mit Vollformatsensor, speziell die A7-Serie, schien der Sargnagel für die SLT-Kameras zu sein. Nicht, weil die SLT-Kameras schlecht waren – die A7-Serie ist stetig besser geworden, sowohl bei den Serienbildern als auch bei der Präzision und Schnelligkeit des Autofokus.
Mit der A99 II (3.599 Euro) gibt Sony dem SLT-System, das einen halbtransparenten Spiegel nutzt, noch eine Chance. Der Fokus liegt dabei auf Performance: 12 Bilder pro Sekunde mit kontinuierlichem Autofokus und 42 Megapixeln. Diese Kombination aus Bildgröße und Geschwindigkeit bieten derzeit nicht mal die fast doppelt so teuren Profi-DSLRs von Nikon und Canon.
Handling
Im Gegensatz zur A7-Serie setzt die A99 II nicht auf ein Retro-Design, sondern das einer modernen Spiegelreflexkamera. Der Griff ist mir eine Spur zu kurz, der kleine Finger der rechten Hand findet gerade noch Halt am Gehäuse. Das ist ein wenig unangenehm, da das Gewicht der A99 II linkslastig ist. Das Halten der Kamera mit einer Hand (ja, manchmal ist es notwendig), ist dadurch erschwert. Wer aufgrund großer Hände ein ähnliches Problem mit der A99 II hat, kann dies durch den optional erhältlichen Akkugriff lösen.
Das Tastenlayout ist nicht optimal. Um zur Taste für die Serienbild-Funktion zu kommen, muss umgegriffen oder der Zeigefinger unangenehm weit gestreckt werden. Die Abblendtaste ist mit der rechten Hand nicht vernünftig zu erreichen. Mit der linken Hand ist sie gut zu erreichen, allerdings nur, wenn die Hand am Vergrößerungsring des Objektiv ist – wer manuell fokussiert, muss umgreifen.
Links unten an der Vorderseite ist ein Drehrad, wie schon beim Vorgängermodell A99. Das kann mit verschiedenen Funktionen belegt werden. Neu ist, dass gewählt werden kann, ob das Rad freidrehend ist oder fühlbare Klicks hat. Ein unbeabsichtigtes Drehen ist kein Problem, da erst die Taste in der Mitte des Rads gedrückt werden muss. Hier hätte ich mir eine Option gewünscht, dass im Klick-Modus das Drücken der Taste nicht nötig ist. Der Widerstand im Klick-Modus ist nämlich ohnehin ausreichend hoch.
Monochrom Display, 3″-LC-Display und E-Sucher
Die A99 II hat gleich drei Displays. Nummer eins ist das Monochrom LC-Display an der Oberseite. Dies ist etwas träge und hinkt den Eingaben hinterher – was angesichts einer Kamera in dieser Preisklasse, deren Hauptverkaufsargument Geschwindigkeit ist, etwas seltsam ist.
Display zwei ist der elektronische Sucher. Das Sichtfeld ist angenehm groß, die Qualität des Suchers gut genug, um nicht negativ aufzufallen. Lediglich beim Anvisieren von Bildschirmen ist ein Flimmern sichtbar.
Der Bildschirm an der Rückseite ist ein 3-Zoll-LC-Display (kein Touchscreen). Es kann gedreht und geklappt werden, um auch aus schwierigen Winkel zu fotografieren. Beim Filmen ist das bewegliche Display ebenfalls hilfreich. Wer will kann es auch so ausrichten, dass es von vorne sichtbar ist (12 Selfies pro Sekunde anyone?).
Beim Sucher kann die Farbtemperatur angepasst werden, beim Display lediglich die Helligkeit. Das Display zeigt Farben etwas kälter an, als sie tatsächlich sind. Die A99 II schaltet verlässlich automatisch zwischen Sucher und Display um.
SLT-System Fokus
Ein SLT-System unterscheidet sich von einer herkömmlichen Systemkamera durch den halbtransparenten Spiegel. Dieser lässt den Großteil des Lichts zum Sensor durch, auf dem der Brennebenen-AF-Sensor sitzt. Ein kleiner Teil des Lichts wird zu einem dedizierten Phasenerkennungs-AF-Sensor weitegerleitet.
Das bedeutet: 15 Kreuzbildpunkte, 79 Hybrid-Bildpunkte die beide Sensoren nutzen und insgesamt 399 Fokuspunkte. Im Vergleich zum Vorgängermodell A99 decken die Fokuspunkte deutlich mehr des Sucherbereichs ab.
Beim einfachen Autofokus ist die Geschwindigkeit des Scharfstellens mit aktuellen Vollformat-DSLRs vergleichbar, solange das Licht hell genug ist. Bei wenig Licht und kontrastschwachen Motiven (dunkle Flächen) ist die Geschwindigkeit langsamer als bei der Canon 5D Mark 4. Hier hilft es mehr Fokuspunkte einzustellen.
Serienbilder-Autofokus
Ein Vorteil des SLT-Systems gegenüber DSLR-Kameras ist, dass bei Serienbildern mit hoher Bildfolge der Autofokus kontinuierlich (AF-C) nachgezogen werden kann. Im Test lieferte der AF-C nicht durchgehend gute Resultate. Mit nur dem mittleren Fokuspunkt schien sich der AF-C erst warm laufen zu müssen. Beim ersten und zweiten Bild der Serie lag der Fokus meist etwas hinter dem anvisierten Punkt, weil die A99 II zu langsam scharfstellte. Auf die nächsten vier bis fünf Bilder ist korrekt scharfgestellt, danach beginnt der Autofokus zu pumpen, was wieder für zwei bis drei leicht unscharfe Fotos sorgt.
Dieses Pumpen tritt nicht nur bei sich bewegenden Motiven auf, sondern auch bei statischen. Die Motivnachverfolgung ist in AF-C aktiv, wenn ein entsprechendes Fokusfeld gewählt wird, wie „Breit“ oder „Weit“. Dabei entscheidet die Kamera, welches Motiv sie verfolgt. Leider entscheidet sie sich öfters mal um und verfolgt ein anderes Motiv, selbst wenn der Bereich der 79 Hybrid-Bildpunkte nicht verlassen wird. Deshalb sollte man lieber gleich „Flexibler Spot“ wählen. Hier fokussiert die A99 II auf das Motiv im vom User ausgewählten Bildpunkt und versucht dieses zu verfolgen.
Es ist sinnvoll das Finetuning des Autofokus in den Einstellungen zu machen. Hier kann die Empfindlichkeit von 1 bis 5 eingestellt werden. Wird 1 gewählt, bleibt der Fokus eher auf der Bildebene des Motivs. Das reduziert zwar das Pumpen nicht wesentlich, allerdings senkt es das Risiko merkbar, dass der Fokus zwischendurch vom Motiv auf den Hintergrund (und wieder zurück) springt.
Allgemein gilt: Je weniger Fokuspunkte man der A99 II gibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der AF-C das Motiv nicht korrekt erfasst. Doch gibt man der A99 II mehr Fokuspunkte, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auf ein falsches Motiv scharfgestellt wird.
Bei Videoaufnahmen gibt es bei AF-C eine starke Einschränkung. Sobald dieser aktiviert ist, kann die A99 II nur im Programmmodus mit einer fixen Blendeneinstellung von 3.5 verwendet werden. Sollte man irgendwelche Einstellungen nicht der Kamera überlassen wollen, muss manuell fokussiert werden.
Leistung
Die A99 II ist etwas zu langsam beim Einschalten. Bis das erste Bild gemacht werden kann, vergehen wertvolle Sekunden und damit möglicherweise eine Schnappschussgelegenheit. Natürlich kann man die Kamera eingeschaltet und im Standby-Modus lassen, allerdings ist die Akkulaufzeit, verglichen mit DSLRs, eher kurz. Im Test war nach 341 Fotos der Akku auf 10 Prozent (hauptsächlich Sucher verwendet). Das deckt sich in etwa mit Sonys offizieller Angabe (390 Bilder). Wird primär das LC-Display verwendet, soll der Akku für 490 Bilder reichen.
Die zwölf Bilder pro Sekunde sind im Modus Hi+ möglich. Statt eines Live-View-Bildes wird immer die letzte Aufnahme im Sucher oder Display angezeigt. Im Modus Hi sind zwar „nur“ acht Bilder pro Sekunde möglich, dafür ist Live View aber aktiv.
Bei JPEG-Aufnahmen fasst der Puffer laut technischen Angaben bis zu 60 Fotos, Im Test war meistens bei knapp über 50 Schluss. Bei unkomprimierten RAWs sind es 24 Bilder – im Modus Hi+ ist also nach zwei Sekunden Schluss. Während der Puffer abgearbeitet wird, können die bereits gespeicherten Bilder angesehen oder weiterfotografiert werden. Allerdings sind die meisten Menüs und Optionen gesperrt, weshalb nicht schnell Änderungen vorgenommen werden können. Bei HDR-Aufnahmen kann gar nichts gemacht werden, bis die A99 II mit dem Berechnen des Fotos fertig ist.
Gespeichert wird auf SD-Karten, für die es einen Doppel-Slot gibt. Der eingebaute Bildstabilisator leistet sehr gute Arbeit. Kleines Manko: Es gibt keinen leisen Modus, der das Auslösegeräusch reduziert wird. Die A99 II ist relativ laut, weshalb man sich in einigen Situationen einen Quiet-Mode wünscht.
Bildqualität
Sony hat jahrelang Zeit gehabt, die JPEG-Algorithmen in seinen Systemkameras zu perfektionieren. Davon profitiert die A99 II. Wenn man die Fotos nicht für kommerzielle Zwecke und starke Nachbearbeitung benötigt, sind die JPGs fast immer ausreichend.
Belichtung, Schärfe und Detailzeichnungen sind sehr gut. Der automatische Weißabgleich funktionierte auch gut und hatte nur bei Kunstlicht die Tendenz etwas zu sehr ins Gelbe abzudriften. Hier kann in den Optionen die Farbtonpriorität auf „Weiß“ gestellt werden, allerdings werden dann die Aufnahmen sehr kalt.
Nur selten gibt es bei Außenaufnahmen Ausreißer, bei denen Farben zu blass waren. Ansonsten sind sie angenehm kräftig, ohne unnatürlich zu wirken. Kleines Manko: Beim Standard-Sony-Farbprofil bei JPEG-Aufnahmen hat das Grün manchmal einen leichten Gelbstich.
Sehr positiv fällt auf, wie gut die A99 II mit Mischlicht umgeht. Der hohe Dynamikumfang hilft dabei. Hier kann die Canon 5D Mark 4 nicht mithalten. Die automatische Dynamic Range Optimierung hilft noch zusätzlich. Im Gegensatz zu anderen DSLRs gibt es hier nicht den negativen Effekt, dass viele Fotos farblich zu eintönig wirken durch die Optimierung.
ISO
Positiv überrascht bin ich auch vom Rauschverhalten. Aufgrund der hohen Pixeldichte des Sensors und des semi-transparenten Spiegels hätte ich mehr Bildrauschen erwartet. Bis inklusive ISO 1600 ist das Rauschen bei JPEGs sehr dezent. Wenn man die Aufnahmen später verkleinert, sind ISO-Werte bis 12.800 akzeptabel.
Die Canon 5D Mark 4 weist ein besseres Rauschverhalten auf, allerdings hat die nur 30 Megapixel. Verglichen mit der Nikon D810 und Canon 5DS R, die mit ihren 36 MP und 50 MP eher in der Klasse der A99 II sind, schneidet die Sony-Kamera besser ab.
Videoqualität
Die A99 II nimmt in UHD (3840 x 2160 Pixel) mit 25p oder 30p und 100 Mbit auf. Aufnahmen im echten 4K (4096 x 2160 Pixel) beherrscht sie nicht – hierfür müssen Filmemacher auf Panasonic Systemkameras oder die Canon 5D Mark 4 zurückgreifen.
Die Videos sehen sehr gut aus, besonders wenn der Super-35-Modus aktiviert wird. Es erscheint seltsam, dass das Croppen eines Vollformat-Sensors auf APS-C-Größe die Bildqualität verbessert. Allerdings nutzt die A99 II in diesem Modus Oversampling. Es wird in 5K aufgenommen und auf UHD heruntergerechnet. Dadurch sind weniger Artefakte und Rauschen sichtbar, die Schärfe ist höher, es gibt mehr Details und der Dynamikumfang ist höher. Der Nachteil des Super-35-Modus ist der Crop-Faktor von 1,8, was in manchen Aufnahmesituationen nicht hilfreich ist.
Die 1080p-Aufnahmen (bis zu 120 B/s mit 100 Mbit) sehen ebenfalls sehr gut aus. Die Schwächen bei den FullHD-Videos hat die A99 II zum Glück nicht von der A7r II geerbt.
Testergebnis
Die A99 II (3.599 Euro UVP) will der Wunderwuzzi unter den professionellen Kameras sein. Mit 42 Megapixeln ist sie für Landschafts-, Architektur- und Studiofotografien interessant, die zwölf Bilder pro Sekunde sind wieder für Sport-, Action- und Tierfotografie reizvoll. Die sehr gute JPG-Performance und UHD-Videoqualität spricht zusätzlich ambitionierte Amateure an, die lieber rausgehen und fotografieren, anstatt Stunden mit der Nachbearbeitung zu verbringen.
Die A99 II legt sich damit gleich mit mehreren Konkurrenten an: Den Megapixel-Monstern, wie der Canon 5DS R, den gehobenen Allround-Vollformat-Kameras (Nikon D810 und Canon 5D Mark 4) und den tatsächlichen Profi-Kameras wie der Nikon D5 (14 B/s mit 21 MP) und Canon 1D X Mark II (14 B/s mit 20 MP).
Eine Alternative zu den deutlich teureren Profi-Kameras ist sie nicht, da der Autofokus im Serienbildermodus nicht verlässlich genug ist. Auch ist die Ergonomie nicht optimal – wenn es schnell gehen muss, muss jeder Handgriff sitzen. Gegen die Nikon D810 und 5DS R kommt sie gut an, was am hohen Dynamikumfang und dem guten Rauschverhalten liegt. Auch die Schärfe und der Fokus bei statischen Motiven ist deutlich besser als bei der 5DS R. Als Studio- und Streetlife-Kamera ist sie durchaus eine Alternative zu Nikon und Canon, wenn man nicht bereits in deren Ökosystem ist.
Ob sie die Canon 5D Mark 4 ersetzen kann, hängt von den persönlichen Präferenzen ab. Die Mark 4 hat weniger Bildrauschen, einen besseren Fokus und Touchscreen. Die A99 II kostet weniger, hat ein schwenkbares Display, einen höheren Dynamikumfang und macht zwölf Bilder pro Sekunde (wenn auch nicht immer korrekt scharfgestellt).
Technische Daten auf der Website des Herstellers
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.