Das LG V30 hätte das bessere LG G6 sein können, beziehungsweise das Smartphone, das dem Samsung Galaxy S8+ Paroli bietet. Das hat LG auch fast geschafft. Das Problem ist, dass das „fast“ keine Kleinigkeit, sondern die größte sichtbare Komponente des Smartphones ist: das Display.
Beim V30 kommt ein P-OLED-Display zum Einsatz. Es ist dasselbe P-OLED-Display, das auch bei Googles Pixel 2 XL verbaut ist. Dasselbe Display, über das sich mein Kollege Michael beim Test des Pixel 2 XL (zurecht) beschwert hat und das aufgrund seiner Probleme auch von den Pixel-2-XL-Käufern gerügt wird.
Mangelhafte Displayqualität
Die Farben verfälschen schon bei geringen Abweichungen des optimalen Blickwinkels. Für ein OLED-Display sind die Farben eher blass, bei großen Farbflächen sind Artefakte und Farbfehler sichtbar. Es ist qualitativ nicht nur weit hinter Samsungs AMOLED-Displays, sondern auch hinter aktuellen LC-Displays.
Bei einem Smartphone mit einem UVP von 899 Euro darf dies nicht sein. Es ist nicht nur ein wenig störend im Alltag, es ist ein ständiges Ärgernis. Auch nach der zweiwöchigen Testphase habe ich mich nicht daran gewöhnt und mich nach einem Smartphone mit einem vernünftigen Display gesehnt.
Angenehme Handhabung
Der Display-Fail ist umso ärgerlicher, weil der Rest des V30 ausgezeichnet ist. Durch die Verwendung des 2:1-Verhältnisses beim Display mit der Diagonale von 6 Zoll, liegt es etwas besser in der Hand als das Samsung Galaxy S8+ mit seinem 6,2-Zoll-Display und 18,5:9-Verhältnis. Zudem ist es mit 158 Gramm leichter als das S8+ (173 Gramm).
Und auch wenn die Standby-Taste an der Rückseite des V30 anfangs gewöhnungsbedürftig ist, ist sie ergonomisch sinnvoll. Denn sie enthält den Fingerabdruckscanner, der mit beiden Händen gut erreichbar ist – im Gegensatz zu dem des Galaxy S8+, der immer schlecht zu erreichen ist, egal wie man das Smartphone hält.
Wenn man die Standby-Taste an der Rückseite nicht verwenden will: kein Problem. Ein Doppelantippen des Displays weckt das V30 auf, bzw. versetzt es wieder in den Standby-Modus. Soll Biometrie zum Entsperren genutzt werden, kann die Gesichtserkennung aktiviert werden. Dazu reicht es das V30 vor das Gesicht zu halten – ohne vorher irgendeine Taste zu drücken oder danach noch herumwischen zu müssen. Das funktioniert aber nur, wenn das V30 genau vor das Gesicht gehalten wird, da der automatische Start der Gesichtserkennung durch diese Geste aktiviert wird.
Gelungenes Design
Das V30 liegt nicht nur gut in der Hand, sondern ist auch schön anzuschauen (solange das Display ausgeschaltet ist). Der Rahmen ist angenehm dünn, nur der Übergang vom Frontglas zum Gehäuse ist eine Spur zu sichtbar. Der dafür verantwortliche Spalt ist zwar kaum spürbar, aber groß genug, dass sich kleine helle Fuseln darin sammeln können, die dazu beitragen, dass der Übergang sichtbar ist.
Ich hatte die blaue Variante des V30 zum Testen. Der Aluminiumrahmen in Blau ist hübsch, ebenso die Rückseite. Diese ist Blau schimmern, je nach Lichteinfall mal heller oder fast Schwarz. Fast wie beim P-OLED-Display, nur, dass es hier gewollt ist. Kleines Manko: An der Rückseite sind bereits dünne Kratzer sichtbar.
Die Doppelkamera versinkt nicht komplett in der Rückseite, ist aber nur minimal erhoben. Auch rund um die Standby-Taste ist ein flacher Rand. Optisch stört das kaum und es macht das Erfühlen der Taste deutlich einfacher. Deshalb, und weil die Taste sinnvoll an der Rückseite positioniert wurde, klappt auch das Entsperren mit Fingerabdruck so gut wie immer und schneller als beim Samsung Galaxy S8.
Schlanke Software
Das V30 hat Android 7.1 installiert, ein Update auf 8.0 ist in Arbeit. Wie üblich ist ein eigener Launcher installiert, der dem des G6 entspricht. Das seitliche Scrollen durch Tabs im Einstellungs-Menü ist immer noch seltsam und die vorinstallierten Widgets sind Geschmackssache – weniger höflicher gesagt: mir gefallen sie nicht.
Die Ansicht für zwei Apps gleichzeitig ist wieder mit dabei, ebenso wie der Google Assistent. Mit der Floating Bar gibt es eine Funktion, die an Samsungs Side Bar erinnert. Am Display-Rand ist ein grauer Pfeil. Tippt man ihn an, poppt eine Leiste mit App- oder Kontakt-Verknüpfungen auf.
Apps können wahlweise direkt am Homescreen oder in einem Extra-Menü angezeigt werden. Das Extra-Menü wird durch das Drücken eines Icons statt durch das Wischen nach unten aufgerufen, was altmodisch anmutet. Grund dafür: Der Wischer nach unten ist für die universelle Suche gedacht, die deaktiviert werden kann.
Das Always-On-Display ist wieder mit dabei. Auf dem P-OLED-Display ist es besser zu erkennen, als auf dem LC-Display des G6, bei dem es oft zu dunkel war. In den Einstellungen kann das Always-On-Display heller gestellt werden, was aber mehr Akku verbraucht.
Das von LG zur Verfügung gestellte V30 hat angenehm wenig Bloatware installiert. Bis auf sieben LG-Apps, darunter LG Health, ein eigener App-Store und Quickmemo, sowie die üblichen Google-Apps, ist es Crapware-frei. Wird das Smartphone bei einem Provider bezogen, könnte mehr Bloatware vorinstalliert sein.
Potenter Akku, überzeugende Audio-Qualitäten
Der Akku hat 3300 mAh und im Test verlässlich den Arbeitstag und die Feierabend-Nacht durchgehalten. Habe ich auf Abendaktivitäten verzichtet, hat das V30 bis zum frühen Nachmittag des Folgetages durchgehalten, bevor es um Energienachschub gewimmert hat.
LG bewirbt besonders die Audiofähigkeiten des V30. Der Hi-Fi Quad-DAC (Digital-Analog-Wandler) liefert tatsächlich einen guten Sound, allerdings nur mit hochwertigen, per 3,5mm-Klinkenstecker verbundenen Kopfhörern. Die mitgelieferten Bang & Olufsen In-Ear-Kopfhörer gehören nicht dazu. Wer nach einem Smartphone sucht um seine 300 Euro+ teuren Kopfhörer mit Referenzklang anzusteuern (das schließt Beats und andere Bassschleudern aus), wird mit dem V30 fündig.
Der Mono-Lautsprecher des V30 ist Smartphone-Standard: Ausreichend, wenn man auf dem Sofa einen kurzen YouTube-Clip anschauen oder im Auto Sprachansagen vom Navi hören will.
Kameras – Licht und Schatten
Das V30 hat, wie schon das G6, eine Dual-Kamera. Die Hauptkamera hat 16 Megapixel und eine Lichtstärke von f1.6, die Weitwinkelkamera 13 Megapixel und f1.9. Beide Linsen haben somit ein Upgrade gegenüber dem G6 erhalten.
Auch bei den Algorithmen hat LG nachgebessert. Die Fotos der Hauptkamera sind nicht mehr überschärft und die Farben akkurater. Nur Aufnahmen bei Kunstlicht tendieren nach wie vor dazu, zu blass zu sein. Bei Aufnahmen mit wenig Licht hat Samsung weiterhin die Nase vorne – hier sind beim V30 mehr Artefakte in den Fotos zu sehen. Wie beim G6 sind die Fotos mit der Weitwinkelkamera weniger gut: Sie sind wieder überschärft, was für unschöne Kanten und Verläufe sorgt, es gibt viele Artefakte und selbst bei guten Lichtbedingungen weichen die Farben oft ab.
Verschiedene Video-Modi
Den Video-Modus hat LG mit einem eigenen „Cine Video“ aufgewertet. Darin stehen verschiedene Effekte zur Verfügung, wie „Sommer-Kassenschlager“, „romantische Komödie“, „Noir“, „Melodrama“ und „Drama“. Das Vorschaubild für Drama zeigt ein Kind, das einen Hund küsst und dazu den Hashtag #romantisch.
Ebenfalls neu ist Point Zoom. Hier tippt man auf den Bildausschnitt und kann dann per Schieberegler in verschiedenen Geschwindigkeiten hinzoomen. Dieser sanfte Zoom soll Hollywoodfilm-Produktionen imitieren.
Die Tonaufzeichnung während den Videos ist sehr gut. Im manuellen Video-Modus kann die Tonaufzeichnung mit Schiebereglern verfeinert werden, im Cine-Video-Modus ist das nicht möglich.
———-
Das könnte auch interessant sein:
———-
Fazit
Das LG V30 wäre dem Samsung Galaxy S8+ zumindest ebenbürtig und in einigen Punkten sogar überlegen. Aber das P-OLED-Display ist ein Dealbreaker. Ich kann kein 900 Euro teures Smartphone empfehlen, dessen Display im Alltag störend auffällt. Solche Bildschirm-Probleme erwartet man vielleicht bei einem Mittelklasse-Gerät, aber nicht bei einem Smartphone im Premium-Segment.
Schade drum. Immerhin bleibt die Hoffnung, dass das 2018 erscheinende LG G7 ein entsprechend gutes Smartphone sein wird – falls es LG bis dahin schafft, ein vernünftiges Display zu produzieren.
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.