Die Weltraumindustrie sprüht vor Optimismus. In Werbevideos ist zu sehen, wie sich die Unternehmen den „modernen Goldrausch“ im All vorstellen: Schöne Computergrafiken zeigen unbemannte Raumschiffe, die mit Kameras, Spektrometern und Radar, Asteroiden nach wertvollen Rohstoffen absuchen. Oder raketengetriebene Weltraumtransporter, die einen Kometenkoloss abschleppen. Roboter, die sich am stellaren Steinbruch in Felsen bohren und interplanetare Minenfahrzeuge, die mit Stein und Staub im Gepäck durch den Kosmos schießen. Die Roboter- und Raumschiffvisionen zum Asteroidenbergbau lassen die „Star Wars“-Kollektion von Spielzeughersteller Lego alt aussehen.
Die Menschheit wagt in den Sprung ins All
Unterlegt sind die Präsentationen mit pathetischen Worten. „In 1.000 Jahren wird die Menschheit an die Zeit zurückdenken, in der wir Geschichte geschrieben haben, als wir für immer den Weg zum All freigemacht haben“, schwärmt Planetenforscher Chris Lewicki. Lewicki hat einst für die US-Raumfahrtagentur NASA Marsmissionen geleitet, heute ist er Präsident des US-Unternehmens „Planetary Resources“.
Großes Interesse der Industrie
Sowohl „Planetary Resources“ als auch die US-Firma „Deep Space Industries“ sehen sich als Pioniere im kosmischen Bergbau. Neuerdings betreiben sie Europa-Sitze in Luxemburg, denn das kleine Großherzogtum will zu einer Weltraumnation aufsteigen. Es investiert zig Millionen in die Zusammenarbeit und hat als erstes europäisches Land ein Gesetz erlassen, das den Kommerz mit den Kometen fördern soll. Danach dürfen Firmen seit August 2017 im All nach Rohstoffen schürfen und sie behalten. Dafür reicht es, ein Büro in Luxemburg zu haben. Die USA hatten 2015 eine ähnliche Regelung verabschiedet. Auch die Arabischen Emirate, so heißt es, planen ein entsprechendes Gesetz.
Verstoßen Gesetze gegen Völkerrecht?
Die Verbindlichkeit solcher Gesetze ist allerdings umstritten. Während die europäische Weltraumagentur Esa die luxemburgischen Regeln unterstützt, sehen Rechtsexperten darin einen Verstoß gegen internationales Recht: „Sie sind krass völkerrechtswidrig. Aber die Regelungen der Staaten stoßen ins Leere, weil sie etwas zu regeln beabsichtigen, wozu ihnen die Regelungsbefugnis fehlt“, konstatiert der Direktor des Instituts für Luft- und Weltraumrecht der Universität zu Köln, Stephan Hobe.
Umweltschutz im All
Nach Artikel II des Weltraumvertrags, sagt Hobe, gehören Weltraum und Himmelskörper nicht einem Staat, sondern der gesamten Menschheit. Damit seien sie ein sogenannter Staatengemeinschaftsraum. Wenn ein Land nun Teile davon für sich beanspruche, verstoße dies gegen überstaatliches Völkerrecht. Gedeckt vom Weltraumrecht seien lediglich Gesteinsentnahmen für wissenschaftliche Zwecke. Rechtsexperte Hobe sorgt sich auch um die Frage, ob der Umweltschutz im Weltraum gewahrt wird. Schon jetzt fühlt sich beispielsweise beim Thema Weltraumschrott kaum ein Staat verantwortlich.
Selbst Körper mit Gold und Diamanten im Weltraum
Noch geht es nur um Visionen. Bis es tatsächlich zum ersten Abbau im All kommt, ist es nach Einschätzung von Klaus Jäger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg noch ein weiter Weg. „Da muss man schon sehr in die Zukunft denken“, sagt er. Für die Forschung interessant seien die Pläne aber allemal: „Tatsächlich wissen wir, dass es im Sonnensystem viele interessante Rohstoffe in großen Mengen gibt – zum Beispiel Edelmetalle, Mineralien, Wasser, Stickstoff oder Phosphor, eben alles Mögliche, was wir im Prinzip gut gebrauchen können.“ Selbst Körper mit viel Gold und Diamanten dürften im Weltraum herumschwirren – allerdings viele Lichtjahre entfernt.
Große technische Herausforderung
Das, was auf 3-D-Animationen der Branche wie ein Kinderspiel wirkt, sei wohl eine der größten technischen und ökonomischen Herausforderungen des Universums, ist Jäger sicher. Zunächst einmal müssten ertragreiche Himmelskörper aus Hunderttausenden gefunden werden, die sich kosmisch gesehen nah – also im Sonnensystem zwischen Mars und Jupiter – befinden. Eine weitere Schwierigkeit: Roboter und andere Gefährte müssen auf den Gesteinsbrocken aufsetzen und dort tätig sein, wo so gut wie keine Schwerkraft herrscht. Dies sei auch ein Problem beim Abbau, so Jäger: „Man kann da ja nicht einfach eine Spitzhacke ansetzen und Gesteinsbrocken heraushacken, ohne dass alles durch die Gegend fliegt.“ In den Trümmerteilen sieht er auch eine Gefahr für Mensch und Maschinen. „Selbst Mikropartikel können große Schäden verursachen, weil sie relativ zu den Raumschiffen Tausende von Kilometern pro Stunde schnell sein können.“
Rücktransport zur Erde
Und schließlich müsse man das Material auch noch zur Erde zurücktransportieren. Bisher waren dies nur Proben in winzige Mengen – mit Ausnahme der Apollo-Missionen zum Mond, die knapp 400 Kilogramm Mondgestein zur Erde brachten. Beim Asteroidenbergbau geht es aber um Tonnen von Gestein, das zur Erde soll. „Vermutlich würden wir das in ein paar Jahrzehnten sogar bewerkstelligen können, so wie wir auch die Landung auf dem Mond geschafft haben“, sagt Jäger, „aber die technische Realisierung dürfte mit astronomischen Aufwand und Kosten verbunden sein.“
Die Branche ist indes in Goldgräberstimmung. Unternehmen wie „Planetary Resources“ schwärmen von riesigen Gewinnen: Laut eigener Darstellung könnte „ein einziger 500 Meter großer Asteroid mehr Platin vorhalten als alle bekannten Erdreserven“. Geschätzter Wert eines solchen Asteroiden: 2,9 Trillionen Dollar. Allerdings stellt sich für Astronom Jäger auch die Frage, ob am Ende noch hohe Preise erzielt werden, wenn die Rohstoffe massenweise aus dem All importiert werden.
Start einer neuen Weltraumindustrie
Wie die Akteure betonen, geht es „vorerst“ aber gar nicht darum, Metalle und Mineralien für den kommerziellen Gebrauch auf die Erde zu transportieren. Vielmehr sollen die gewonnenen Rohstoffe im All für die Raumfahrt und eine „neue Weltraumindustrie“ genutzt werden. Die in einer Initiative namens „Space Resources“ zusammengeschlossenen Unternehmen hoffen etwa, Wasserstoff und Sauerstoff als Treibstoff für Raumfahrzeuge im All gewinnen und Astronauten mit auf Asteroiden gefundenem Wasser versorgen zu können.
Erkundungsmissionen
Zunächst einmal wollen die Unternehmen Erkundungsmissionen mit Schwärmen von kleinen ferngesteuerten Satelliten starten. „Es geht bei der Erforschung von Asteroiden zum Beispiel um die Oberflächen und das Material“, sagt ein Sprecher. Investoren werben die potenziellen Asteroidenabbauer allerdings mit Szenarien, die weit darüber hinausgehen.
Basis dafür ist auch eine Studie von angesehenen Weltraumexperten der NASA sowie Forschungsinstituten in den USA und Europa. Darin schlagen die Wissenschaftler Entführungs-Missionen als praktikabelste Lösung vor: Ein Roboterraumschiff soll einen ganzen Asteroiden einfangen, ihn von seinem Orbit ablenken und dann in die Nähe der Erde bringen, um ihn dort besser abbauen zu können.
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