Schwarze Löcher sind ein so bekanntes Phänomen, dass sie regelmäßig Gastauftritte in Filmen und Serien absolvieren. Ob es sie wirklich gibt und wie sie aussehen, weiß aber niemand genau. Das soll das „Event Horizon Telescope“ (EHT) jetzt ändern, indem es Bilder der Ereignishorizonte der Schwarzen Löcher Sgt A* und M87 liefert. Dazu werden mehrere Radioteleskope auf der ganzen Welt durch Langbasisinterferometrie (mehr Infos) virtuell zu einem riesigen Teleskop zusammengeschaltet, das praktisch denselben Durchmesser wie die Erde erreicht. Dadurch lassen sich die weit entfernten Objekte im Mikrowellenbereich abbilden.
Da nichts aus einem Schwarzen Loch entkommt, wird auf den Bildern die Strahlung der Materie zu sehen sein, die um den Ereignishorizont der supermassereichen Schwarzen Löcher mit den dort herrschenden Magnetfeldern interagiert. Das aus den Daten errechnete Bild wird wohl als das erste „Foto eines Schwarzen Lochs“ in die Geschichte eingehen und es Forschern erlauben, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie unter den extremsten Bedingungen, die überhaupt vorstellbar sind, zu testen. futurezone hat den am EHT mitarbeitenden Forscher Eduardo Ros vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie zum Stand der Dinge befragt.
Das erste “Foto eines Schwarzen Lochs” soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. Wie läuft es?
Die Messungen mit dem weltweiten Teleskopverbund haben im April erfolgreich stattgefunden. Das Wetter war gut, es läuft also alles prima. Die Daten wurden auf Festplatten gespeichert und per Post an Rechenzentren am MIT in Boston und in Bonn geschickt, wo sie zusammengerechnet werden. Es fehlen noch die Daten des Südpolteleskops, weil dort noch Winter ist, weshalb derzeit keine Pakete verschickt werden können. Wir erwarten die Lieferung Ende November, dann ist der Datensatz vollständig. Die Südpoldaten sind wichtig für die Auflösung des Bildes, weil das Teleskop dort die größten Distanzen innerhalb des Teleskopverbunds repräsentiert. Die fertigen Ergebnisse erwarten wir Ende Dezember. Hoffentlich bringt uns das Christkind ein fertiges Bild.
Von welchen Datenmengen sprechen wir hier und warum der Umweg über die Post?
Es fallen mehreren Gigabit pro Sekunde an und wir haben fünf Tage lang gemessen. Das entspricht 500 Terabyte oder etwa 0,4 Kubikmeter Festplatten pro Teleskop, insgesamt sind es vier Petabyte oder 3,2 Kubikmeter Festplatten. Bei den nächsten Messungen 2018 wird die doppelte Menge anfallen. Allein das Einspielen und Speichern in den Datenzentren dauert seine Zeit. Eine direkte Übertragung innerhalb Europas wäre machbar, aber die Teleskope stehen auch in abgelegenen, trockenen Gebieten wie der Atacamawüste und am Südpol. Da wäre das Verlegen von Leitungen extrem teuer. Da warten wir lieber ein paar Monate.
Wann wird die Öffentlichkeit das Ergebnis zu sehen bekommen?
Die Daten werden einem Peer-Review-Prozess unterzogen, bevor sie publiziert werden. Wir wollen ja nichts Falsches herzeigen, ein Fehler wäre ziemlich peinlich. Wenn die Ergebnisse gesichert sind, werden Zeitschriften wie Science oder Nature das Bild wohl publizieren.
Was gab den Ausschlag bei der Wahl der verwendeten Wellenlänge?
Wir nutzen Mikrowellen mit 1,3 Millimeter Wellenlänge, also 1000 Mal kürzer als UKW-Radiosignale im Auto und bekommen so eine viel höhere Auflösung als etwa mit optischen Interferometern. Zudem ist die Materie um die Schwarzen Löcher sehr durchlässig für diese Wellenlänge. Durch das Kombinieren der Signale erreichen wir etwa eine 5000 Mal bessere Auflösung als mit dem Hubble-Weltraumteleskop, bei etwa 0,02 Millibogensekunden. Das ist das Maximum, das heute technisch realisiert werden kann.
Wie kann ich mir das fertige Bild vorstellen?
Wir bekommen ein monochromatisches Bild – also praktisch schwarzweiß, auf dem die Strukturen zu erkennen sein werden. Wir errechnen das Bild mithilfe von Fouriertransformationen und bekommen so ein Modell des Himmels, in dem wir die Strukturen der beobachteten Objekte sehen. Wir werden sehen, welche Struktur die Materie in den Magnetfeldern um den Ereignishorizont hat, also die Form des Schattens des Schwarzen Lochs.
Wie unterscheidet sich das von einem gewöhnlichen Foto?
Mit optischen Teleskopen erfassen wir sichtbare Strahlung, die hauptsächlich Informationen über Wärmeprozesse liefert. Radiowellen hingegen liefern Informationen über magnetische Phänomene. Mit Radioaugen würden wir etwa Mobilfunkmasten als helle Punkte sehen. Die dunklen Flecken der Sonne wären hell und riesig und wir könnten Sonneneruptionen sehen. Das Magnetfeld wäre nicht direkt, aber indirekt durch Elektronen und Protonen sichtbar, die abgelenkt werden und dadurch Synchrotronstrahlung abgeben.
Macht die Frage nach der Auflösung der Bilder Sinn?
Bei unseren Aufnahmen geht es um die Winkelauflösung. Die ist mit einem Zwanzigmillionstel Bogensekunde sehr hoch. Ein Bild des Schwarzen Lochs hat aber nur etwa 200 mal 200 Pixel, wobei jedes Pixel vier Millionstel Bogensekunden entspricht. Das ist eine noch nie dagewesene Schärfe für die Aufnahme eines so weit entfernten Objekts.
Warum wurden die Schwarzen Löcher Sagittarius A* (Sgr A*) im Zentrum der Milchstraße und das in einer anderen Galaxie beheimatete M87 als Ziele gewählt?
Beide Objekte sind interessant, weil ihre Ereignishorizonte von der Erde aus betrachtet die Größten am Himmel sind. Die Größe des Ereignishorizonts hängt von der Masse ab. Sgr A* scheint groß, weil es im Zentrum der Milchstraße relativ nah liegt, M87 erscheint groß, weil es extrem massereich ist. M87 hat etwa 1000 Mal mehr Masse als Sgr A*, ist aber 2000 Mal weiter entfernt. Von der Erde aus erscheinen die Ereignishorizonte etwa gleich groß. Andere Schwarze Löcher würden viel größere Teleskope erfordern.
Mit den Beobachtungen soll auch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie getestet werden. Hoffen Sie auf Abweichungen?
Am Aufregendsten wären natürlich Abweichungen von Einsteins Theorie. Auch Newtons Gravitationsmodell funktioniert innerhalb eines bestimmten Anwendungsbereichs gut und bricht erst an dessen Grenzen zusammen. Jetzt können wir auch Einstein im Extrembereich testen, denn die Gravitation um den Ereignishorizont ist unvorstellbar groß. Es könnte also durchaus Überraschungen geben.
Kann es sein, dass statt Schwarzen Löchern etwas anderes gefunden wird?
Es gibt alternative Erklärungsmodelle, etwa Gravasterne. Auf den Bildern könnten wir dann Unterschiede sehen. Ein Schwarzes Loch bietet Magnetfeldlinien keinen Ankerpunkt am Ereignishorizont. Bei alternativen Modellen wäre das auf deren Oberfläche aber möglich. Durch eine Analyse der Polarisierung der Strahlung könnte man das unterscheiden. Dass es keine Schwarzen Löcher gibt, ist möglich, nach den bisherigen Messungen aber unwahrscheinlich. Die Daten zur Polarisierung haben wir gesammelt, eine Auswertung erfordert aber noch höhere Genauigkeit bei der Kalibrierung. Wenn alles klappt, kommt die Auswertung Ende des Jahres mit dem Bild mit. Derzeit sieht es gut aus.
Wie genau müssen die Teleskope für die Interferometrie synchronisiert werden?
Um Sicherzustellen, dass wir die Wellen richtig zusammenrechnen, müssen wir im Pikosekundenbereich arbeiten. Dazu brauchen wir ein extrem genaues Modell der Erde, das Rotation, Gezeiten, die Luftmassen über den Teleskopen und beispielsweise auch die langsame Hebung der skandinavischen Landmasse, die seit Ende der letzten Eiszeit stattfindet, berücksichtigt. Hier profitieren wir von 40 Jahren Erfahrung der Radioastronomie. Daraus ist übrigens auch eine nette Erfindung namens GPS hervorgegangen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei futurezone.at.