Hefezellen bringen nicht nur Kipferl und Germknödel zum Aufgehen, sondern stellen in Bioreaktoren auch medizinische Wirkstoffe, Enzyme für Waschmittel und Lebensmittel-Inhaltsstoffe her. Forscher der Firma Siemens in Wien digitalisieren diese Prozesse, um sie am Computer zu optimieren und die Qualität schon bei der Produktion zu prüfen. Ihr „Living Lab“ wurde am Montag vor Journalisten eröffnet.
Was sich nicht messen lässt, wird berechnet
Die Bioreaktoren wurden dazu mit unzähligen Sensoren und Analysegeräten ausgestattet, die verschiedenste Parameter wie den pH-Wert, den Sauerstoff- und Zuckergehalt während des Gärungsprozesses etwa von Hefezellen und Laktobazillen bestimmen. Was nicht direkt gemessen werden kann, versucht man anhand der bekannten Parameter auszurechnen und zu modellieren, erklärte Harald Loos von der Siemens-Forschungseinheit Corporate Technology.
Der „digitale Zwilling“ des Prozesses dient der Optimierung
Auf diese Art werden im „Living Lab“ möglichst viele Daten erfasst und digitalisiert. Damit kann man die Prozesse am Computer virtuell nachspielen und einzelne Werte verändern, um die Ergebnisse zu verbessern. Mit den vom „digitalen Zwilling“ gewonnenen Erkenntnissen geht man dann zurück zum wirklichen Fermenter (Bioreaktor), moduliert die nötigen Faktoren wie Sauerstoffzufuhr und Temperatur, und erhält einen optimierten Prozess, bei dem zum Beispiel weniger Ausschuss produziert wird, sagte Bernhard Kienlein von der Siemens-Division Process Industries and Drives. Außerdem könne man die Qualität in Echtzeit überwachen, und bei Bedarf gleich eingreifen. Damit ist man nicht auf nachgeschaltete Qualitätskontrollen angewiesen, ob der ganze Prozess nun funktioniert hat oder nicht.
Digitalisierung setzt auf Automatisierung auf
Die Digitalisierung der Prozessindustrie könne man in Europa besonders gut vorantreiben, weil man hier beim Automatisierungsniveau vorneweg sei, so Siemens Österreich-Generaldirektor Wolfgang Hesoun. Die Digitalisierung setze quasi auf der Automatisierung auf. Während letztere allerdings viele Menschen den Arbeitsplatz gekostet hat, hätten sie vor der Digitalisierung nichts zu befürchten. Im Gegenteil, dazu fehlten Fachkräfte und man arbeite hier mit den Wiener Universitäten zusammen, um die Quote an qualifizierten Abgängern zu erhöhen.
Laut Loos und Hesoun werden im „Living Lab“, für das Siemens zunächst fünf Millionen Euro investierte, zwar nur drei bis vier Biotechnologen arbeiten, zusätzlich jedoch „eine Menge IT-Menschen“ im Hintergrund werken.