Der Psychologe Richard Stephens fragte sich, weshalb Menschen auf Schmerz so häufig mit Fluchen reagieren, wenn Fluchen doch angeblich eine unangemessene Reaktion auf negative Situationen sei. Um dies genauer zu untersuchen, gewann er 67 seiner Studenten an der Keele University in Staffordshire, England, für einen Versuch. Sie sollten in zwei Durchläufen ihre Hände in Eiswasser stecken und sie so lange darin lassen, wie sie können.
Versuch 1: Fluchen gegen Schmerzen?
Das Besondere dabei: Beim ersten Durchgang sollten sie nicht fluchen, beim zweiten schon. Um den Test fair zu gestalten, wurden den Probanden nur ein Fluchwort und ein neutrales Wort gestattet. Sie sollten sich vorher fünf Worte überlegen, die sie sagen würden, wenn sie sich versehentlich einen Hammer auf den Finger hauen und fünf Worte, um einen Tisch zu beschreiben. Dann mussten sie je eines dieser Wörter für die zwei Durchgänge verwenden. Das Resultat: Im Fluch-Durchgang konnten die Studenten die Hände im Schnitt 50 Prozent länger im Eiswasser lassen und ihre Herzrate stieg, während ihr Schmerzempfinden sank.
Der Grund für diesen Effekt, so Stephens, läge darin, dass Schmerz ein sehr psychologisches Phänomen sei und nicht, wie lange angenommen, ein vor allem biologisches. In einem Test gaben Männer etwa an, ein Schmerz sei weniger intensiv empfunden worden, wenn eine weibliche Person sie befragte. In seinem ersten Experiment zeigte Stephens also, dass Fluchen tatsächlich den Erregungszustand der Testpersonen erhöhte. Um den Effekt emotionaler Erregung auf das Schmerzempfinden zu testen, kreierte er zusammen mit der Studentin Claire Allsop einen zweiten Versuch.
Versuch 2: Ego-Shooter und Golf gegen Schmerzempfinden
Nun wurden die Probanden in Gruppen eingeteilt. Die eine spielte vor dem Eiswasser-Test ein Ego-Shooter-Spiel. Die andere spielte ein Golf-Videospiel. Zunächst wies Allsop mit einem Fragebogen nach, dass die erste Gruppe nach dem Spielen aggressiver gestimmt war. Im Fragebogen sollten Lückenwörter ergänzt werden. Die erste Gruppe machte aus „explo_e“ „explode“, die andere machte daraus „explore“. Ebenso wurde aus „_ight“ einmal „fight“, während die Golfgruppe mit „light“ oder ähnlichem antwortete.
Im Eiswasser-Test wiederholte sich dann das Ergebnis des Fluch-Tests. Aus der Gruppe, die das Golf-Spiel gespielt hatte, konnten die männlichen Probanden ihre Hände im Schnitt für 117 Sekunden im Wasser lassen, die Frauen für 106. In der Ego-Shooter-Gruppe waren es bei den Männern 195 Sekunden und bei den Frauen 174.
Versuch 3: Sind aggressivere Menschen schmerzunempfindlicher?
Um zu überprüfen, ob dies bedeutet, dass grundständig aggressivere Menschen Schmerz besser aushalten können, testeten Kristin Neil von der University of Georgia und einige Kollegen dies in einem anderen Versuch. 74 männliche Testpersonen sollten einen Reaktionstest machen. Sie sollten einen Button schneller als ihr Gegner drücken. Das Besondere: Zudem gab es einen Button, über den sie ihrem Gegner einen Stromschlag verpassen konnten, dessen Intensität sie bestimmen konnten.
Damit die Testpersonen ungefähr einschätzen konnten, wie stark der Stromschlag ist, wurde dieser vorher an ihnen demonstriert. Was die Testpersonen nicht wussten: Ihr Gegner war ein Computer, der darauf programmiert war, sie eine bestimmte Anzahl an Runden gewinnen und verlieren zu lassen. Der Bestrafungs-Button maß in Wahrheit nur, wie lange und intensiv sie ihrem Gegner einen Stromschlag verpassten. So wollte Neil sehen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Schmerzresistenz der Person und der Intensität und Dauer der Stromschläge, die sie einem anderen versetzen.
Das Ergebnis war eindeutig: Je mehr Schmerzen die Probanden selbst ertragen konnten, desto eher drückten sie den Bestrafungs-Button und für desto länger. Die Frage, die bleibt, ist, ob weniger schmerzresistente Menschen mehr Empathie haben. Der Test von Neil kann diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten.
Was alle Versuche aber zeigten, ist, dass man das eigene Schmerzempfinden leicht über Emotionen manipulieren kann. Interessant ist zudem, dass diese Methode für alle Menschen, egal ob sie grundsätzlich aggressiver sind oder nicht, funktioniert. Dies überprüfte wiederum Richard Stephens in einem anderen Versuch.
Versuch 4: Je oller, desto doller?
In diesem sollten Leute einschätzen, wie wahrscheinlich es war, dass sie in Alltagssituationen fluchten, wenn sie etwas reizte oder wehtat. Danach sollten sie den Eiswasser-Test mit den Schimpf- beziehungsweise neutralen Wörtern machen. Diese Tests zeigten, dass das Fluchen allen Menschen dabei half, länger Schmerzen aushalten zu können. Zudem fand er heraus, dass stärkere Schimpfwörter die Schmerzempfindlichkeit auch besser senken.
Die Autorin des Buchs „Swearing Is Good for You: The Amazing Science of Bad Language „, die sich mit diesen Experimenten befasste, fragt sich daher, ob man so nicht den Grad eines Schimpfwortes empirisch nachweisen könne. Frei nach dem Motto: „*icken“ gibt 100 Punkte!