Veröffentlicht inScience

Neue Studie zeigt eine besorgniserregende Entwicklung: Der Klimawandel könnte die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten auslöschen

Einer Studie des WWF zufolge, wird der Klimawandel katastrophale Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben.

Ein Elefent in der afrikanischen Steppe.
Afrikanische Elefanten leiden unter den Dürren

Sie ist Paradebeispiel und Symbol für das weltweite Artensterben: Die Goldkröte lebte in einem kleinen Gebiet im Regenwald Costa Ricas. Heute glänzt die leuchtend gelb-orange Amphibie nur noch auf T-Shirts und Postern. 25 Jahre nach seiner Entdeckung war der fünf Zentimeter kleine Froschlurch bereits aus Mittelamerika verschwunden.

Seit 1989 führt die Weltnaturschutzunion IUCN die Goldkröte auf ihrer internationalen Liste als „extinct“ – ausgestorben. Vermutet wird, dass gleich mehrere Faktoren wie die Abholzung umliegender Wälder, die anhaltende Dürre und die globale Erwärmung dazu führten, dass die Tümpel mit dem Laich und den Kaulquappen der Amphibien komplett austrockneten. Ähnlich traurige Beispiele gibt es viele – Tendenz steigend.

Forscher warnen vor einem Rückgang der Artenvielfalt

Führende Wissenschaftler warnen jetzt vor einem dramatischen Rückgang der Artenvielfalt aufgrund des Klimawandels. Bis zur Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten in den weltweit bedeutendsten Naturregionen werden mittelfristig dem Klimawandel zum Opfer fallen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Umweltschutzorganisation WWF und der Universität East Anglia in Großbritannien.

„Sollten die menschengemachten Emissionen an Treibhausgasen wie bisher fortschreiten, würde jede zweite Art bis zum Jahr 2080 aus den untersuchten Gebieten verschwinden“, sagt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland.

Naturparadiese werden zerstört

Selbst wenn das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werde, also die oberste Grenze der Beschlüsse im Pariser Klimaabkommen, fiele der Rückgang der Arten noch massiv aus: Dann würde noch jede vierte Spezies in den Schlüsselregionen verloren gehen, heißt es in der Studie. „Naturparadiese wie der Amazonas oder die Galapagosinseln drohen noch zu Lebzeiten unserer Kinder weitreichend zerstört und der Hälfte ihrer Tier- und Pflanzenarten beraubt zu werden“, so Heinrich.

„Das ist kein Schicksal, sondern direkte Folge der menschengemachten Klimaerhitzung. Auf der ganzen Welt könnten Tiere wie Afrikanische Elefanten oder Große Pandas regional verschwinden, genau wie Zehntausende Pflanzen, Insekten und kleinere Lebewesen, die die Grundlage des Lebens auf der Erde bilden.“ Der WWF bekräftigte seine Forderung an die Bundesregierung, aus Kohle, Öl und später Erdgas auszusteigen. Diese seien die Haupttreiber des Klimawandels.

Erste Studie ihrer Art

Die Studie „Wildlife in a warming World“ untersucht Auswirkungen des Klimawandels auf fast 80.000 Tier- und Pflanzenarten in den 35 artenreichsten Regionen der Welt, darunter der Amazonas-Regenwald, das Kongobecken oder der Mittelmeerraum. Sie beschreibt drei verschiedene Klima-Szenarien – globale Temperaturanstiege von im Schnitt 2, 3,2 und 4,5 Grad Celsius – und deren Folgen für die Biodiversität. Die Ergebnisse werden an diesem Mittwoch im Fachjournal „Climatic Change“ veröffentlicht.

Nach Angaben der Autoren handelt es sich bei der Studie um die erste und einzige ihrer Art. Bisherige Studien konzentrierten sich auf die Frage, welche Klimamodelle sich wie auf die lokalen Ereignisse wie Niederschlag und Temperatur auswirkten. Dramatische Einbrüche prognostizieren die Forscher in den Miombowäldern im südlichen und östlichen Afrika, im Amazonas-Regenwald sowie im Südwesten Australiens.

Wasserknappheit bedroht Elefanten

Bei einem Temperaturanstieg von 4,5 – ein Szenario, das nach aktueller Lage zu erwarten wäre – gingen den südafrikanischen Miombowäldern 90 Prozent der Amphibien, 86 Prozent der Vogelarten und sogar 80 Prozent der Säugetiere verloren. Im Amazonas-Regenwald könnten 69 Prozent aller Pflanzen komplett verschwinden. In Madagaskar stünden 60 Prozent sämtlicher Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben.

Die Gründe für den drastischen Rückgang der Arten, so die Autoren, liegen vor allem an den veränderten Lebensbedingungen, die Klimaerwärmung und folglich Dürre mit sich bringen. Das betrifft zum Beispiel den Afrikanischen Elefanten, der pro Tag 150 bis 300 Liter Wasser trinkt – und als Folge von Wasserknappheit schlichtweg verdursten würde. Oder die Tiger in den Sundarban-Mangroven Bangladeschs und Indiens. 96 Prozent ihres Verbreitungsgebiets auf dem indischen Subkontinent werden bei einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 4,5 Grad mittel- bis langfristig unter dem steigenden Meeresspiegel verschwinden, schreiben die Forscher.

Schätzungen: Jeden Tag verschwinden 150 Arten

Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit 150 Arten pro Tag verschwinden. Die Aussterberate läge demnach heute bis zu 1.000-mal höher als natürlicherweise. Die Ursachen sind unterschiedlich, allerdings trägt laut Weltnaturschutzunion IUCN in den allermeisten Fällen der Mensch direkt oder indirekt die Verantwortung – etwa durch Abholzung, Überdüngung oder Flächenzementierungen.

Beispiele gibt es auch in Deutschland: So sind etwa Wisent (vor 1700) und Schlangenadler (1969) der Bejagung, der Orangerote Heufalter (2000), die Braunbrüstige Honigbiene (2001) sowie der Acker-Meier (um 1950) der Intensivierung der Landwirtschaft zum Opfer gefallen. Die aktualisierte Rote Liste der IUCN vom Dezember 2017 weist inzwischen 25.821 von 91.523 untersuchten Tier- und Pflanzenarten als bedroht aus – doppelt so viele wie noch im Jahr 2000.

Der Mensch ist verantwortlich

Der Direktor der Zoologischen Staatssammlung in München, Gerhard Haszprunar, hält die Ergebnisse der WWF-Studie für plausibel. Allerdings würden noch weit mehr Spezies betroffen sein, wenn auch die Ozeane mit in die Berechnungen einflössen, befürchtet Haszprunar im Hinblick auf die tödliche Korallenbleiche. Doch auch ohne Klimawandel führe die Zerstörung von Lebensraum zum Artensterben.

———-

Das könnte auch interessant sein:

———-

„Es deutet alles darauf hin, dass das sechste Massensterben längst begonnen hat“, sagt der Experte. Und zwar doppelt: „Ganze Arten gehen verloren, und von denen, die es noch gibt, gibt es viel weniger.“ Diesmal seien aber nicht, wie vor Millionen von Jahren, Tsunami, Erdbeben oder Meteoriteneinschlag schuld – sondern der Mensch.

Du willst mehr von uns lesen? Folge uns auf Google News.