Spätestens seit Unternehmer Elon Musk mit seinem Unternehmen Neuralink offiziell an der Technologie zu arbeiten begonnen hat, sind Gehirnchips in aller Munde. Die digitale Vernetzung von Computer und Mensch erscheint dadurch zumindest deutlich realer und weniger als Bestandteil purer Science-Fiction. Auch Wissenschaftler*innen setzen sich mit den Möglichkeiten und Herausforderungen auseinander.
Wie funktioniert ein Gehirnchip?
Wer das Wort Gehirnchip hört, kann sich darunter wahrscheinlich erst einmal nicht viel vorstellen. Außer, dass es sich um eine in den menschlichen Kopf eingesetzte Computerkomponente handelt. Diese könnte allerdings vielseitige Zwecke erfüllen. Dazu zählen die folgenden Anwendungsbeispiele:
- Steuerung von Software per Gedanken
- Speicherung von Erinnerungen
- Abspielen gespeicherter Erinnerungen
- Teilen von Gedanken zwischen Menschen oder größeren Gruppen
- Anwendung in der Medizin
Doch wie funktioniert ein solcher Gehirnchip? Ganz grob erklärt, verfügt ein solches Bauteil über tausende Elektroden, die an das Gewebe im Gehirn andocken. Auf diese Weise nehmen sie elektrische Impulse auf und leiten diese weiter.
Im Bereich medizinischer Anwendung liegt dabei die Beobachtung zugrunde, dass sich die elektrische Gehirnaktivität ändert, sobald du dir ein bestimmtes Verhalten vorstellst. Die Bewegung des rechten Arms unterschiedet sich in der Aktivität zum Beispiel von der Bewegung des linken Arms.
Die Elektroden des Gehirnchips zeichnen diese auf und übertragen sie an den Computer. Der wiederum decodiert die Informationen. Auf diese Weise werden körperlich beeinträchtigte Menschen über die sogenannten Brain-Computer-Interfaces (BCI) befähigt, ohne Hilfe Prothesen oder einen Cursor zu bewegen.
Das Video eines französischen Forschungsteams zeigt, wie weit die Technologie schon ist. Darin zu sehen ist ein gelähmter Patient, der durch seine Gedanken ein komplettes Exoskelett steuert.
Was kann der Chip von Elon Musk?
Elon Musk setzt mit seinem Unternehmen Neuralink ebenfalls auf die neuronale Vernetzung des menschlichen Gehirns mit einem Computer. Wie er 2021 in einem Interview prognostizierte, sollten Menschen bereits 2022 mit einem Gehirnchip rechnen können, der sich durch einen einfachen Eingriff implantieren ließe. Er soll laut Aussage des Milliardärs Betroffenen mit Rückenmarkverletzungen helfen.
Mitarbeitende seiner Firma hatten zuvor bereits einen Gehirnchip erfolgreich an Affen getestet. Mittlerweile sind von den 23 Neuralink-Labortieren aber nur noch sieben am Leben, was den Erfolg der Technologie fragwürdig erscheinen lässt.
Anfang 2022 kündigte Musk erste Tests an Menschen an. Inzwischen zeichnet sich allerdings ab, dass wir von dieser Realität weiterhin ein Stück entfernt sind, denn eine Genehmigung dafür gibt es bislang wohl nicht. Das Unternehmen macht aktuell zudem vor allem damit Schlagzeilen, dass bereits sechs der acht ursprünglichen Gründungsmitglieder abgesprungen sind, die t3n berichtet.
Abseits der Medizin: Auch das könnte ein Gehirnchip ermöglichen
Die Möglichkeit, das menschliche Gehirn mittels Sensorik zu beeinflussen, fasziniert die Wissenschaft aber auch jenseits medizinischer Anwendungsbereiche. So könnte die Technologie in Zukunft einen großen Menschheitstraum in greifnahe Nähe bringen und den oft mühsamen Weg des Lernens durch einen Upload der gewünschten Informationen vereinfachen.
Wir müssten nur Antworten auf technischen Fragen finden, wie Wissenschaftler*innen in den Fachbereichen der Neurologie, Ingenieurswissenschaften und Informatik laut Gizmodo erklären.
Upload per Gehirnchip: Diese Hürden gilt es zu meistern
Der Neurologe und Computerwissenschaftler Michael Beyeler sieht ein großes Potential in der Technologie. Durch einen Gehirnchip via Upload meisterhaft Piano spielen zu können, sieht er jedoch zumindest jetzt noch skeptisch.
„Es wird vermutlich nicht so einfach sein, wie das Anschließen eines USB-Laufwerks an unser Gehirn. Dennoch denke ich, dass die Vorstellung, unsere Sinne und unseren Intellekt mittels einer neuronal implementierten Hardware zu erweitern, durchaus in Reichweite liegt. Davor müssen wir aber einige Herausforderungen meistern.“
Michael Beyeler via Gizmodo
Eine große Herausforderung bestehe laut Beyeler darin, biokompatible Geräte zu entwickeln, die effektiv mit dem Hirn verbunden werden können. Zwar schreite die Technologie hierfür schnell voran, dennoch müsste ein solcher Gehirnchip weitaus kleiner sein, als es vergleichbare Hardware heute bereits ist.
Die heute verwendeten Elektroden solcher Geräte sind zu groß, um gezielt auf Neuronen abzuzielen. Nach Meinung des Wissenschaftlers müsste ein solcher Chip auch noch tief in das Gehirn eingepflanzt werden. Dabei stellt sich für ihn das weitaus größte Problem:
„Die größte Herausforderung sehe ich darin, dass unser Verständnis des Gehirns nicht groß genug ist, um Gehirn-Uploads zu ermöglichen. Wir müssen vorerst verstehen, wie Informationen im Gehirn gespeichert und abgerufen werden.
Michael Beyeler via GIZMODO
Am Ende ist es eine ethische Frage
Und schließlich stellen sich noch Fragen, die stets vor technologischen Meilensteine gestellt werden. Was würde ein Gehirnchip und der damit verbundene Upload allen Wissens für uns Menschen bedeuten? Michael Beyeler, der sicherlich selbst Jahre an Zeit investierte, um Wissenschaftler zu sein, stellt sich ethische und philosophische Fragen zu diesem Thema.
Bisher haben vor allem Menschen über Firmen wie Musks Neuralink Zugang zu sensorischen Neuroprothesen. Die kleinen Chips sollen also den Alltag derjenigen erleichtern, die darauf auch angewiesen sind.
Was aber, wenn Mittels Hirn-Upload Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen in ein Gehirn gespeichert werden können? Wer sollte zu solch einer Technologie Zugang haben? Wie könnte sie missbraucht werden und eben nicht dem Wohle der Menschheit dienen?
Natürlich sind das Fragen, die sich immer schon gestellt wurden. Einige andere Technologien der Zukunft werden diese und ähnliche Fragen höchstwahrscheinlich auch aufwerfen.
Quelle: t3n, YouTube/The Lancet, Gizmodo, YouTube/iKnowReview, eigene Recherche
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