Im Jahr 1963 passierte in einer spanischen Stierkampfarena etwas schier Unmögliches. Ein Mann stand alleine im großen, runden Stadion und wartete gelassen auf sein Versuchskanninchen. Nur dass es sich nicht um ein Kanninchen, sondern um einen aggressiven, ausgewachsenen Stier handelte. Der Mann verspürte aber offensichtlich keinerlei Angst, denn er wusste, dass er durch seine vorangegangene Verhaltenforschung eine entscheidende Fähigkeit besaß: Gedankenkontrolle.
Spektakuläre Verhaltensforschung: Gedankenkontrolle als Event
Die Geschichte beginnt im Jahr 1915 als der kleine José Manuel Rodríguez Delgado das Licht der Welt erblickte. Er sollte einer der wichtigsten Pioniere der Verhaltensforschung werden. Dabei war es zunächst sein Traum, Arzt zu werden und sich auf Augenkrankheiten zu spezialisieren. Nachdem er sich jedoch dem Feld der Physiologie und der Neurologie widmete, verlagerte er seinen Schwerpunkt auf das Gehirn.
1950 trat er der medizinischen Fakultät der Yale University bei. Schon damals hatte er eine Reihe neurowissenschaftlicher Experimente durchgeführt. Er machte sich einen Namen als Erfinder und Bauer verschiedener Experimentier-Geräte, wie zum Beispiel Elektroden und umgebaute Funkempfänger, mittels derer er aus der Ferne elektrische Impulse an die Gehirne von Tieren und Menschen abgeben konnte. In seinen Experimenten beobachtete Delgado die Auswirkungen der Elektrizität auf das Verhalten und die Wirkung seiner Versuchspersonen und -tiere.
Verhaltenskontrolle bei Tieren
Bald gelang es Delgado, durch elektrische Impulse, Tieren ein bestimmtes Verhalten anzutrainieren beziehungsweise ihnen bestimmte Verhaltensmuster auszutreiben. In einem Experiment schaffte er es, die Aggression eines Affen zu kontrollieren, indem er bestimmte Hirnregionen stimulierte. Der Versuchsaufbau sah vor, dass manche Affen durch Betätigung eines Hebels die Aggressionen anderer Affen manipulieren können. Es gelang.
Delgado schaffte es auch im Zuge seiner Verhaltensforschung, einem Schimpansen bestimmte Gefühle abzutrainieren, indem er dem Tier „Biofeedback“ in Form eines unangenehmen Gefühls in der Amygdala gab. Schnell lernte der Affe das Signal zu vermeiden, in dem er in seinem Verhalten gedämpfter wurde. Delgado sah darin einen Gewinn für die Gehirnforschung beim Menschen und plante, die Technologie bei Menschen mit Panikattacken anzuwenden.
Das Stier-Experiment bekam weltweite Aufmerksamkeit
Das aber wohl spektakulärste Experiment ereignete sich 1963. Delagado pflanzte einem Stier einen Empfänger ins Gehirn. Über einen Funksender war es ihm nun möglich, gezielte Signale auszusenden, welche dem Tier das aggressive Verhalten nehmen sollten.
In einer Stierkampf-Arena kam es dann zur Begegnung zwischen Mensch und (S)Tier. Der aggressive Stier kam aus seiner Box, orientierte sich kurz und nahm dann Anlauf Richtung Delgado. Doch jedes Mal, wenn das Tier kurz davor war, Delgado zu erreichen und ihn mit den spitzen Hörnern aufzuspießen, sendete der Forscher ein Signal und der Stier wendete sich augenblicklich ab oder stoppte mitten in seiner Bewegung.
Das Experiment landete auf der Titelseite in New York
Das unglaubliche Experiment fand viel Aufmerksamkeit. Selbst die New York Times im weitentfernten Amerika berichtet vom dem Stier-Versuch. Die renommierte Zeitung schrieb von der „spektakulärsten Demonstration, die je für die absichtliche Veränderung des Tierverhaltens durch externe Kontrolle des Gehirns durchgeführt wurde“.
José Delgado führte das plötzliche Ende des Stierangriffs auf „eine Kombination aus motorischer Wirkung, die den Stier dazu zwingt, anzuhalten und sich zur Seite zu drehen, plus Verhaltenshemmung des aggressiven Antriebs“ zurück.
Delgado führte auch Versuche an Menschen durch
Jonathan Moreno, Professor für Ethik an der Perelman School of Medicine, University of Pennsylvania, nennt Delgado eine „große Persönlichkeit“. Die Kühnheit des Stierkampf-Experiments habe alle beeindruckte.
Bei Versuchen an menschlichen Versuchszielen lösten die Experimente bei den Versuchspersonen verschiedene Gefühle wie Euphorie, Wut, Lachen, Freundlichkeit und sogar Lust aus.
Handelt es sich um Gedankenkontrolle?
Kritiker äußerten Bedenken, dass Delgado mit seiner Verhaltensforschung den Weg der Gedankenkontrolle geebnet hätte. Dieser widersprach und sagte, dass seine Techniken keine spezifischen Gedanken erzeugen, keine aggressive oder emotionale Reaktion auf ein bestimmtes Ziel richten oder die Versuchspersonen zur Ausführung komplexer Aufgaben zwingen konnten.
Delgado stellte fest, dass seine Arbeit „eine moralische und soziale Verpflichtung zur Förderung wissenschaftlicher Erkenntnisse und zur Verbesserung des Wohlergehens der Menschen“ darstelle, wie aus einem Bericht vom Discover Magazine hervorgeht. Nicht die Technologie an sich müsse geregelt werden, sondern ihr Gebrauch.
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