Seit Jahren schon geht die Forschung davon aus, dass junge, kleine Mini-Neptuns über verdunstende Atmosphären verfügen. Bislang gab es dafür noch keine beobachtbaren Beispiele und dadurch lediglich mathematische Belege. Nun aber scheint es, als sei einem Team des California Institute of Technology (Caltech) der Durchbruch gelungen. Sie haben gleich zwei dieser Exoplaneten ins Auge gefasst, die sich durch das Verdunsten zu Supererden entwickeln sollen.
Geburt einer Supererde: Hubble liefert entscheidende Daten
Gemeinsam mit seinem Team veröffentlichte der Caltech-Doktorand Michael Zhang gleich zwei Studien, in Rahmen derer sie die Entdeckung und Entwicklung je eines Mini-Neptuns beschreiben. Konkret handelt es sich dabei um die beiden Exoplaneten HD 63433c und TOI 560.01. Sie befinden sich in einer Entfernung von circa 73 beziehungsweise 103 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem. Wie genau aber entwickelt sich ein vergleichsweise kleiner Gasplanet zu einer Supererde?
Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten (HD 63433c und TOI 560.01), die das Team des Caltech im Fachmagazin The Astronomical Journal veröffentlichten, sprechen dafür, dass atmosphärisches Gas aus dem inneren Bereich der Planeten entweicht. Der Verbund wertete dazu mitunter Daten des Weltraumteleskops Hubble aus. Im Rahmen einer Pressemitteilung seines Instituts erklärt Zhang, die meisten Astronom:innen würden davon ausgehen, dass Mini-Neptuns über Verdunstungsatmosphären verfügen. „Aber bis jetzt hat noch niemand einen dabei beobachtet.“
Allerdings fanden Zhang und seine Kolleg:innen heraus, dass etwa das Gas von TOI 560.01 in Richtung seines Sterns entweicht. „Das war unerwartet“, bemerkt Heather Knutson. Sie ist Professorin für Planetenwissenschaften am Caltech. Bisher sei man davon ausgegangen, das Gas würde sich in einem solchen Fall vom Stern wegbewegen. „Wir müssen noch viel darüber lernen, wie diese Abflüsse in der Praxis funktionieren.“
Der Missing Link der Planeten-Evolution
Supererden erreichen das bis zu 1,75-Fache der Größe unserer Erde. Mini-Neptunplaneten hingegen erreichen Größen vom bis zu Zwei- oder sogar Vierfachen der Erde. Bislang hat die Astronomie nur wenige Planeten entdeckt, die größenmäßig zwischen diesen beiden Typen liegen. Eine These für diesen Missing Link besagt, dass sich Mini-Neptuns über eine bestimmte Zeit hinweg in Supererden transformieren können.
Es wird angenommen, dass ihre Atmosphären mit Wasserstoff und Helium angereichert sind, Überbleibsel aus der Geburtsphase ihres Sterns. Ist ein Mini-Neptun klein genug und nah an seinem Stern, könnte die stellare Strahlung seine Atmosphäre über hunderte Millionen Jahre hinweg ausdünnen. Zurück bliebe dann eine steinige Supererde.
„Ein Planet in der Lücke hätte genug Atmosphäre, um seinen Radius aufzupumpen, so dass er mehr Sternstrahlung auffängt und dadurch einen schnellen Massenverlust ermöglicht. Aber die Atmosphäre ist so dünn, dass sie schnell verloren geht. Aus diesem Grund würde ein Planet nicht lange in der Lücke bleiben.“
Michael Zhang
Das Unerwartete erwarten
Im Fall des Exoplaneten TOI 560.01 habe das Team Anzeichen entweichenden Heliums entdeckt. Das Sternsystem HD 63433 beherberge gleich zwei Planeten: 63433 b, der seinem Stern näher ist, und 63433 c, der weiter von ihm entfernt ist. „Der innere Planet hat möglicherweise bereits seine Atmosphäre verloren“, erklärt Zhang.
„Als Exoplanetenforscher haben wir gelernt, das Unerwartete zu erwarten. Diese exotischen Welten überraschen uns ständig mit neuen physikalischen Eigenschaften, die über das hinausgehen, was wir in unserem Sonnensystem beobachten.“
Heather Knutson
Quelle: „Detection of Ongoing Mass Loss from HD 63433c, a Young Mini-Neptune“ (2022, The Astronomical Journal); „Escaping Helium from TOI 560.01, a Young Mini-Neptune“ (2022, The Astronomical Journal); California Institute of Technology