Ob verbal oder schriftlich, jeder dürfte schon die ein oder andere Beleidigung gehört und auch selbst formuliert haben. In bestimmten Situationen nehmen unsere Emotionen überhand und so schnell kann ein verletzender Satz rausgerutscht sein. Forschende haben sich nun genauer angeschaut, was eigentlich im menschlichen Gehirn passiert, wenn wir derlei Äußerungen hören.
Beleidigungen: Unser Gehirn reagiert reflexartig
Niederländische Forschende haben sich der Frage gewidmet, ob Menschen sich an Beleidigungen gewöhnen können und was dazu neurologisch alles geschieht. Dazu stellten sie auch den Vergleich mit Komplimenten und neutralen Aussagen an.
Dabei fanden sie heraus, dass verbal vorgetragene, verletzende Äußerungen kurze und vergleichsweise starke Schübe an Aktivitäten im vorderen Hirnbereich erzeugten – man verglich diese mit Schlägen ins Gesicht. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob sie an einen selbst oder an eine andere Person adressiert waren.
Zudem blieb die Intensität der Hirnreaktion auch bei wiederholten Beleidigungen auf einem gleich hohen Niveau. Das heißt, unser Gehirn schenkt ihnen stets dieselbe Aufmerksamkeit, die auch deutlich größer ausfällt als bei Komplimenten. Innerhalb von nur etwa 250 Millisekunden seien entsprechende Hirnaktivitäten zu beobachten. Das sei nicht nur ein Hinweis auf unsere allgemeine Empfindsamkeit für Beleidigungen, sondern deutet auch einen automatischen Prozess an.
- Auch spannend: Was geschieht mit dem Gehirn nach dem Tod? Es könnte jedenfalls dauern, bis es vollständig abschaltet.
Komplimente bleiben ebenfalls konstant, sind aber schwächer
Immerhin: Entgegen einer zuvor aufgestellten Annahme rufen auch Komplimente Reaktionen von gleichbleibender Intensität hervor. Eine Sättigung positiver Aussagen ist zumindest davon ausgehend eher nicht zu erwarten. Dass diese allerdings klar schwächer wirken als Beleidigungen, verweist jedoch auf den sogenannten Negativitätsbias.
Dieser beschreibt das Phänomen, dass sich negative Emotionen oder Erlebnisse stärker als positive auswirken, auch wenn sie von gleicher Intensität sind. Die neue Studie legt nun nahe, dass es dafür auch eine neurologische Erklärung gibt – und dass das Gehirn sehr wohl einen qualitativen Unterschied macht.
Allerdings ist die neue Untersuchung noch lange nicht perfekt. Sie wurde nur in einer künstlichen Labor-Umgebung mit Hilfe von 80 Probandinnen durchgeführt. Die unnatürliche Umgebung und das Ausbleiben von männlichen Studienteilnehmern bilden von daher kaum das wahre Leben ab, wie man auch einräumt. Nichtsdestotrotz würde klar werden, dass Beleidigungen einen immer wieder treffen können und das über einen längeren Zeitraum.
Quelle: „Do People Get Used to Insulting Language?“ (Frontiers in Communication, 2022)
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