Der Klimawandel ist zweifellos eine der größten Herausforderungen, denen die Menschheit gegenübersteht. In zahlreichen Studien, Talkshows, Übersichtsseiten, Interviews und anderen Medien wurde bereits über die bevorstehenden Auswirkungen gesprochen. Doch die Forschenden stehen vor etwas gänzlich Neuem: Sie entdecken aktuell völlig unvorhergesehene Konsequenzen, die den Klimawandel zu einer wahren Prüfung der Wissenschaft machen.
Klimawandel im urbanen Lebensraum
Wenn du pendelst, hast du womöglich schon selbst einmal beobachtet, dass es außerhalb der Stadt oft ein wenig kühler ist als innerhalb. So wird aus einem milden Schneegestöber in deinem Heimatort etwa ein ekliger Nieselregen zwischen den Hochhäusern und Tausenden von Menschen. Diese Schwankungen sind ganz normal. Wo mehr Leute unterwegs sind, steigt auch die Temperatur. Auch der Stein und die Dächer, aus dem die Wolkenkratzer, Läden und Wohnhäuser gebaut sind, heizen sich auf und gibt diese Wärme an seine Umgebung wieder ab. Selbes gilt für Straßen.
Dieses Phänomen nennt sich „städtische Wärmeinseln“ und hat erstmal nichts mit dem Klimawandel zu tun. Diese Wärmeinseln gibt es obendrein nicht nur über der Erde, sondern auch unter ihr. Auch Keller, U-Bahnen und andere unterirdische Infrastrukturen geben ihre Wärme an die Umgebung ab.
Städte können sich verformen und absinken
Allerdings kommt nun auch der Klimawandel ins Spiel. Die Kombination einer sich erhitzenden Erde und den städtischen Wärmeinseln macht den urbanen Lebensraum potentiell gefährlich. Durch die sich aufbauenden unterirdischen Temperaturen und jahreszeitliche Schwankungen sorgen für ein Ausdehnen und Zusammenziehen des Bodens, auf denen Straßen, Häuser und Menschen ihren Platz finden.
Dieser Effekt versetzt Forschende in Alarmbereitschaft. Alessandro F. Rotta Loria, ein Bau- und Umweltingenieur an der Northwestern University, Hauptautor einer Studie zu diesem Thema, gibt gegenüber Scientific American zu verstehen: „Ohne dass [jemand] es bemerkte, verformte sich die Innenstadt von Chicago.“
Grundwasser könnte sich verändern (zum Schlechten)
Die Forschungsarbeit von Rotta Loria erschien am 11 Juli im Fachmagazin Communications Engineering und deckt noch weitere Faktoren dieses „unterirdischen Klimawandels“ auf. Gerade Städte, die auf vergleichsweise weichen Böden oder nahe dem Wasser stehen, könnten unbemerkt eine sich verformende Erde unter sich haben. Folge wäre ein Absinken von Gebäuden oder Straßen. Das passiert bereits jetzt – in Sekundenbruchteilen. Bis Bitte des Jahrhunderts könnte etwa das Stadtzentrum von Chicago teilweise um bis zu 12 Millimeter ansteigen oder bis zu 18 Millimeter absinken. Das würde nach einer gewissen Zeitspanne unweigerlich die Statik von Gebäuden beeinflussen.
Der Geologe Grant Ferguson macht auf einen weiteren, möglichen Umstand aufmerksam: Die unterirdischen Ökosysteme können diesem urbanen Klimawandel ebenfalls zum Opfer fallen. Trotz jahreszeitlicher Schwankungen an der Oberfläche blieb die Temperatur unter der Erde relativ gleichbleibend. Da sich das nun zu ändern scheint, sind auch die Lebewesen unter der Erde betroffen. Durch ein sich erwärmenden Grundwasser könnten sie Absterben, was wiederum die chemische Zusammensetzung des Wassers verändere.
Wärme ließe sich für Strom nutzen
Um diesen Effekt aufzuhalten, gibt es bereist erste Lösungsansätze. Geothermische Technologien sind dazu in der Lage den Untergrund zu kühlen. Gleichzeitig könnten wir die unterirdisch entstehende Wärme durch den Klimawandel etwa auch zum Heizen nutzen. Mit noch mehr Wärme ließe sich sogar mit weiteren Methoden Strom erzeugen. Allerdings sind diese Optionen sehr kostspieglig, was ihre Umsetzung erschwert.
Da der oberirdische Klimawandel jedoch voranschreitet, werden sich irgendwann auch kleinere Städte oder weniger besuchte Bezirke aufheizen. Installiert man hier dann die Optionen für die Stromproduktion aus der unterirdischen Wärme, könnte sich der Aufwand tatsächlich lohnen.
Quelle: Scientific American
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