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Kernfusion: Forscher sprengen wichtige Grenze um das Zehnfache

Forschende haben eine der wichtigsten Hürden der Kernfusion, die sogenannte Greenwald-Grenze, gesprengt. Sie legen damit den Grundstein für eine Reihe weiterer Durchbrüche.

Illustration des Inneren eines Tokamak
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Die Kernfusion verspricht eine nahezu unbegrenzte nachhaltige Energiequelle, indem sie die Prozesse der Sonne nachahmt. Um praktische Fusion zu erreichen, müssen jedoch bedeutende physikalische Herausforderungen gelöst werden. Forschende der University of Wisconsin (UW)-Madison haben kürzlich einen entscheidenden Durchbruch bei der Überwindung eines dieser Hindernisse erzielt, indem sie ringförmige Reaktoren, sogenannte Tokamaks, nutzten. Ihre Arbeit hat eine entscheidende Barriere, die Greenwald-Grenze, um den Faktor zehn durchbrochen.

Kernfusion: Tokamak überschreitet Greenwald-Grenze

Die Greenwald-Grenze setzt eine Obergrenze für die Elektronendichte im erhitzten Plasma eines Tokamaks und schränkte damit bislang die Effizienz und Stabilität der Fusionsreaktoren ein. Das Team der UW-Madison führte unter der Leitung von Maximilian Häberle Experimente mit dem Madison Symmetric Torus (MST) durch. Den Forschenden gelang es, diese Grenze unter stabilen Bedingungen zu überschreiten – sie schafften damit das Unmögliche. Ihr Erfolg basiert auf den dicken, leitfähigen Wänden und der anpassbaren Stromversorgung des MST, die die Magnetfelder stabilisieren, die das Plasma einschließen.

Ein Tokamak schließt Plasma in einem donutförmigen Behälter mithilfe starker Magnetfelder ein. Diese Magnetfelder, erzeugt durch toroidale (um den Torus gewickelte) und poloidale (durch das Plasma fließende Ströme) Spulen, halten das extrem heiße Plasma stabil. Im Inneren des Tokamaks verschmelzen leichte Atomkerne bei hohen Temperaturen und Drücken zu schwereren Kernen, wobei Energie freigesetzt wird. Ziel ist es, die freigesetzte Energie zur Stromerzeugung nutzbar zu machen, ähnlich wie in der Sonne.

Die Kernfusion erfordert also extreme Hitze, die durch das Einschließen geladener Teilchen im Plasma erzeugt wird. Die Aufrechterhaltung der Stabilität eines solchen Reaktors bei hohen Elektronendichten war jedoch eine Herausforderung. Indem die Forschenden die Greenwald-Grenze überschritten, zeigten sie, dass höhere Elektronendichten, die mehr Reaktionen und Energie bedeuten, ohne Plasma-Instabilität erreicht werden können.

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„Der MST ist ganz anders“

Die Ergebnisse des Teams legen nahe, dass Hardware-Beschränkungen, nicht Plasma-Instabilität, die maximale Elektronendichte festlegen. „Meine Aufgabe war es, Wege zu finden, das Plasma instabil zu machen“, erklärte Noah Hurst, Wissenschaftler am Wisconsin Plasma Physics Laboratory (WiPPL) und Hauptautor der in den Physical Review Letters veröffentlichten Studie. „Ich habe es versucht und festgestellt, dass es in vielen Fällen nicht instabil ist. Das war überraschend.“

Das stellt einen bedeutenden Erfolg für die Tokamak-Fusion dar und ergänzt die jüngsten Erfolge beim Bau größerer Reaktoren und der Steigerung der Energieproduktion. Die MST-Experimente wurden nicht bei den extrem hohen Temperaturen durchgeführt, die typisch für Fusionsreaktionen sind, daher müssen zukünftige Forschungen diese Bedingungen skalieren. Allerdings ist das nicht der einzige Punkt, in dem sich der Versuchsaufbau von anderen unterscheidet.

„Der MST ist ganz anders, denn er wurde mit einer dickeren Wand als die meisten Tokamaks konstruiert“, so Hurst weiter. „Außerdem erzeugen die meisten Tokamaks Plasmen mit geringerem Widerstand, so dass sie nicht diese hohen Spannungen benötigen wie wir, um zu funktionieren.“

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Grundstein für weitere Fortschritte

Hurst bestätigte, dass man die Plasmen weiter erforschen müsse. Er zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Erkenntnisse, die man daraus gewinnen könne, zu leistungsfähigeren Fusionsanlagen mit höheren Dichten führen könnten. In einem vorab veröffentlichten Redebeitrag für die Konferenz der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) äußerte sich auch Brett Chapman, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, zu den Ergebnissen.

„Derzeit wird daran gearbeitet, zu verstehen, warum die MST mit einem so hohen Greenwald-Anteil arbeiten kann. Neben der offensichtlichen Rolle, die die Stromversorgung bei der globalen Aufrechterhaltung dieser Plasmen spielt, könnte sie auch der Schlüssel zur Aufrechterhaltung des Randstroms sein. Das leitende Gefäß könnte eine wichtige Rolle spielen, z. B. in seiner kürzlich vorhergesagten Rolle bei der Verlangsamung des Wachstums im Modus des Abreißens der Widerstandswand und der Unterbrechung der thermischen Abschreckung.“

Brett Chapman

Quelle: „Tokamak Plasmas with Density up to 10 Times the Greenwald Limit“ (Physical Review Letters, 2024); University of Wisconsin-Madison; Internationale Atomenergie-Organisation

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