Bereits im Jahr 2015 entstand im Südpazifik eine neue Insel, die der Wissenschaft eine außergewöhnliche Gelegenheit bot. Sie ermöglichte es, die Entstehung von Ökosystemen zu untersuchen, angefangen bei den mikrobiellen Pionieren, die neues Land besiedeln. Die als Hunga Tonga-Hunga Ha’apai (Hunga Tonga) bekannte Insel entstand im Pazifischen Ozean durch einen Vulkanausbruch, wurde aber Anfang 2022 durch einen weiteren Ausbruch zerstört. In den sieben Jahren, in denen sie existierte, gab die Insel jedoch einige interessante Geheimnisse über die mikrobiellen Gemeinschaften preis, die sie bewohnten.
Pazifischer Ozean: Unerwarteter Mikrobenfund untersucht
Im Rahmen einer 2023 in der wissenschaftlichen Zeitschrift mBio veröffentlichten Studie berichten Forschende der University of Colorado über den Nachweis einer unerwarteten Gemeinschaft von Mikroben auf der Insel. Sie verstoffwechselten Schwefel und atmosphärische Gase, ähnlich wie Organismen, die in heißen Quellen oder hydrothermalen Schloten in der Tiefsee vorkommen.
„Wir fanden nicht das, was wir erwartet hatten“, erklärt der Mikrobenökologe, Doktorand der Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (CIRES) und Hauptautor der Forschungsarbeit, Nick Dragone. „Wir dachten, wir würden Organismen sehen, die man findet, wenn sich ein Gletscher zurückzieht, oder Cyanobakterien, typischere frühe Einsiedlerarten – aber stattdessen fanden wir eine einzigartige Gruppe von Bakterien, die Schwefel und atmosphärische Gase verstoffwechseln.“
Das Team sammelte 32 Bodenproben von der Insel im Pazifischen Ozean, und zwar auf Oberflächen, die vom Meeresspiegel bis zum etwa 120 Meter hohen Kratergipfel reichten. Sie extrahierten und sequenzierten die DNA aus den Proben und fanden Bakterien und Archaeen in allen Proben vom Vulkankegel, obwohl diese Mikroben weniger vielfältig waren als Mikroben aus nahe gelegenen bewachsenen Gebieten – und sehr unterschiedlich.
Dritte Landmasse ihrer Art
Die Forschenden vermuten, dass diese Mikroben aus dem tiefen Untergrund stammen könnten. „Einer der Gründe, warum wir glauben, dass wir diese einzigartigen Mikroben sehen, sind die Eigenschaften, die mit Vulkanausbrüchen verbunden sind: viel Schwefel und Schwefelwasserstoffgas, die wahrscheinlich die einzigartigen Taxa, die wir gefunden haben, antreiben“, so Dragone. „Die Mikroben ähnelten denen, die in hydrothermalen Schloten, heißen Quellen wie Yellowstone und anderen vulkanischen Systemen vorkommen. Wir vermuten, dass die Mikroben aus solchen Quellen stammen.“
Die Chance, diese Art von System zu untersuchen, sei ausgesprochen selten. In den letzten 150 Jahren sei Hunga Tonga erst die dritte Landmasse dieser Art, die länger als ein Jahr bestehe, erläutern Dragone und seine Kolleg*innen – und die erste in den Tropen. Während Forschende auch die Ankunft von Leben auf früheren neu entstandenen Inseln untersuchten, konzentrierten sie sich mehr auf Pflanzen und Tiere als auf Mikroben.
„Wir hatten eine einzigartige Gelegenheit“
„Diese Art von Vulkanausbrüchen kommt überall auf der Welt vor, aber normalerweise entstehen dabei keine Inseln“, so der Forschungsleiter. „Wir hatten eine einzigartige Gelegenheit. Noch nie zuvor hatte jemand die Mikroorganismen auf einem solchen Inselsystem in einem so frühen Stadium umfassend untersucht.“
Und niemand wird mehr die Gelegenheit haben, die Bewohner der Insel zu studieren, zumindest nicht direkt. Sieben Jahre nachdem sie aus dem Pazifischen Ozean aufgetaucht war, verschwand Hunga Tonga auf spektakuläre Weise. Als der Vulkan im Januar 2022 erneut ausbrach, kam es zum größten explosiven Ausbruch des 21. Jahrhunderts mit der größten Dampf- und Aschewolke in der Geschichte. Hunga Tonga wurde ausgelöscht.
Quellen: „The Early Microbial Colonizers of a Short-Lived Volcanic Island in the Kingdom of Tonga“ (mBio, 2023); Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences
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