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Neue Studie: Das ist „eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit“ – sie betrifft Millionen Menschen

Ende September treffen sich führende Vertreter*innen der Vereinten Nationen (UN), um über die Folgen von Antibiotikaresistenz zu beraten. Aktuelle Prognosen sind problematisch.

Bakterien in einer Petrischale
© GettyImages/Rodolfo Parulan Jr

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Video über die Reaktion des Körpers auf Viren und Bakterien.

Am 26. September 2024 kommen Politiker*innen aus der ganzen Welt, die Zivilgesellschaft und globale Gesundheitsforschenden zu einer UN-Generalversammlung zusammen. Das Thema sind Bakterien, genauer Antibiotikaresistenz (AMR). Es könnte das wichtigste Treffen in diesem Jahrzehnt werden.

Antibiotikaresistenz: So schwerwiegend ist das Problem wirklich

Während der hochrangige Sondersitzung zur Antibiotikaresistenz soll eine globale Agenda festgelegt werden, um Maßnahmen gegen die wachsende Herausforderung für Gesundheit und Entwicklung zu mobilisieren. Das erklärt Mathieu JP Poirier, Assistenzprofessor für Sozialepidemiologie am York-Forschungslehrstuhl für globale Gesundheitsgerechtigkeit, in einem Bericht für The Conversation.

Wie akut das Problem schon seit Jahren ist, zeigte bereits eine wichtige Studie in der Fachzeitschrift The Lancet aus dem Jahr 2019. Darin schätzten Forschende, dass AMR jährlich mit dem Tod von etwa 1,27 Millionen Menschen in direktem Zusammenhang steht. Zusätzlich, so die Fachleute damals, würden viele weitere Menschen indirekt an den Folgen von Infektionen, die durch resistente Keime schwerer behandelbar sind, sterben.

Weltweit sollen der Untersuchung zufolge sogar rund 4,95 Millionen Todesfälle verzeichnet worden sein. Dabei spielen sowohl direkte als auch indirekte Vorkommnisse eine Rolle, bei denen resistente Infektionen involviert waren.

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Düstere Prognosen bis 2050

Noch dramatischer sind dagegen die Prognosen für die zukünftige Entwicklung von Antibiotikaresistenz. Demnach warnen Expertinnen und Experten ganz aktuell in einer neuen Studie, dass es bis 2050 sogar 39 Millionen Tote pro Jahr geben könnte, sollten keine effektiven Gegenmaßnahmen ergriffen werden. 169 Millionen Menschen könnten zudem indirekt durch die Folgen von AMR zu Tode kommen.

Betroffen sind davon vor allem Menschen im Alter von 70 oder mehr Jahren. In dieser Gruppe stiegen die Vorkommnisse um 80 Prozent. Zurückgeführt wird das auf eine oft geringere Wirksamkeit oder Unverträglichkeit von Impfstoffen und Arzneimitteln sowie mehr Grunderkrankungen.

„AMR tritt auf, wenn Bakterien und andere Mikroben, die Infektionen wie Lungenentzündung, Sepsis oder Tuberkulose verursachen, die Fähigkeit erlangen, der Behandlung durch Antibiotika oder andere antimikrobielle Medikamente zu widerstehen. Diese arzneimittelresistenten Mikroben werden manchmal als ‚Superbugs‘ bezeichnet“, erklärt Poirier.

Beschleunigt wurde dieser eigentlich natürliche Prozess laut ihm durch den unsachgemäßen Einsatz antimikrobieller Mittel. Das fordere nicht nur Menschenleben, sondern bedrohe zunehmend auch die Tiergesundheit, die Lebensmittelsicherheit und die Volkswirtschaften.

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Diese Hürden muss die Welt nehmen

Die konkreten Herausforderungen, denen sich die UN-Führung bei der Bewältigung des Problems gegenüber sieht, sind indes vielfältig. So befinden sich wie sooft Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen in einer besonders prekären Lage. Ihnen fehlt der Zugang zu qualitätsgesicherten antimikrobiellen Mitteln, weshalb sie einer höheren Belastung durch Antibiotikaresistenz unterliegen. Gleichzeitig verfügen sie über weniger Ressourcen, um wirksam auf die Bedrohung reagieren zu können.

Da AMR auf der anderen Seite eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier, die Lebensmittelsicherheit und das wirtschaftliche Wohlergehen darstellt, sind ein einheitlicher Ansatz und eine Koordinierung zwischen den Ministerien für Finanzen, Gesundheit, Landwirtschaft et cetera notwendig. Poirier zufolge ist es genau aus diesem Grund absolut wichtig, „die besten verfügbaren Erkenntnisse darüber zu gewinnen, mit welchen Maßnahmen diese globalen Ungleichheiten und sektorübergreifenden Herausforderungen am besten angegangen werden können.“

Anlass zur Sorge sieht der Sozialepidemiologe bei dem hochrangige UN-Treffen allerdings darin, dass es aktuell wenig politischen Druck gibt, um auf höchster Regierungsebene tätig zu werden. Den Grund dafür macht er zum Teil am „hochtechnischen Charakter der meisten nationalen und internationalen Diskussionen über Antibiotikaresistenz“ fest. Dieser würde die Öffentlichkeit sowie die politische Vorstellungskraft der führenden Riege der Welt nicht ansprechen.

Quellen: The Conversation, „Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis“ (2019, The Lancet), „Global burden of bacterial antimicrobial resistance 1990–2021: a systematic analysis with forecasts to 2050“ (2024, The Lancet)

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