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Merz‘ Heiz-Plan wird zum Härtetest: GroKo-Crash vorprogrammiert?

Die Aussparung des Heizungsgesetzes aus dem jüngst veröffentlichten Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD könnte ernste Folgen haben. Das zumindest lassen die Pläne der Parteien vermuten.

L R Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Saskia Esken, Markus Söder
© IMAGO / dts Nachrichtenagentur [M]

Friedrich Merz ist Wahlsieger: Was kommt jetzt auf uns zu?

Die Union und Friedrich Merz haben die Bundestagswahl gewonnen. In diesem Video geben wir einen Ausblick darauf, was uns nun erwarten könnte.

Bereits im Vorlauf zur Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) durch die Ampel-Koalition hatte die Union unter Friedrich Merz (CDU) harsche Kritik daran geübt. So wurde die Rückabwicklung, insbesondere des als Heizungsgesetz bekannten Paragraphen 72, zu einem der zentralen Themen des Bundestagswahlkampfes 2025. Daher erscheint es zunächst überraschend, dass das Thema im ersten Sondierungspapier von Union und SPD keinerlei Erwähnung findet.

Sondierungspapier ohne Heizungsgesetz

Bevor es in die Verhandlungen um eine neue Regierungskoalition gehen kann, braucht es zunächst sogenannte Sondierungsgespräche. Sie dienen als eine Art erste Einschätzung, ob sich Verhandlungen überhaupt lohnen. Umso wichtiger ist es, im Rahmen dieser Gespräche zumindest grob die wichtigsten Punkte zu klären. Dazu gehören etwa Wirtschaft, Soziales, Infrastruktur, Wohnen, Bildung sowie Migration, ein weiteres zentrales Thema des Wahlkampfes von CDU und CSU.

Den Fokus legte das am Samstag veröffentlichte Sondierungspapier auf Wirtschaftsaufschwung, Migrationseinschränkungen, Rentenreform und Bürokratieabbau. Migration und Sozialleistungen wollen die Parteien verschärft regulieren, während die geplante Große Koalition (GroKo) Wirtschaft durch Steueranreize und Bürokratieabbau stärken soll. Klimapolitik wird darin kaum erwähnt, das Heizungsgesetz überhaupt nicht.

Dass bestimmte Themen in einem Sondierungspapier keine Erwähnung finden, kann das darauf hindeuten, dass die beteiligten Parteien ihnen keine große Relevanz beimessen. Allerdings scheint das im aktuellen Fall eher unwahrscheinlich, zumal die Fraktionsspitze der Union seit Monaten daran festhält, die GEG-Novelle – speziell damit einhergehende Subventionsprogramme – rückgängig machen zu wollen. Die SPD, die maßgeblich an ebendieser Novelle beteiligt war, setzt hingegen noch immer auf direkte staatliche Unterstützung und die Zugänglichkeit klimafreundlicher Heizungen für alle.

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Konsequenzen bislang unklar

Das bewusste Ausklammern des Heizungsgesetzes im Sondierungspapier könnte darauf hindeuten, dass dieses Thema als besonders konfliktträchtig angesehen wird und daher zunächst vermieden wurde, um die Sondierungsgespräche nicht zu belasten. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen müssen die Parteien jedoch eine Einigung erzielen, da die Energie- und Klimapolitik zentrale Aspekte der Regierungsarbeit darstellen. Das Potenzial für Konflikte ist hoch, insbesondere wenn CDU, CSU und SPD keine Kompromissbereitschaft zeigen.​

Vergangene Koalitionsverhandlungen haben gezeigt, dass das Ausklammern strittiger Themen in frühen Verhandlungsphasen später zu intensiven Auseinandersetzungen führen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2005: Auch damals mussten Union und SPD eine GroKo bilden, obwohl sie in zentralen Themen wie der Wirtschafts- und Sozialpolitik stark auseinanderlagen.

Während die Union unter Angela Merkel weitreichende Reformen, etwa eine „Kopfpauschale“ im Gesundheitssystem und eine Lockerung des Kündigungsschutzes, anstrebte, setzte die SPD unter Gerhard Schröder auf den Erhalt sozialstaatlicher Prinzipien. Diese Gegensätze führten zu langwierigen und zähen Koalitionsverhandlungen, in denen beide Seiten Kompromisse eingehen mussten, um eine gemeinsame Regierung zu ermöglichen.

Der Worst Case wäre ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen, weil Union und SPD keine Einigung über das Heizungsgesetz und andere zentrale Streitpunkte finden. Das könnte Neuwahlen oder eine instabile Minderheitsregierung zur Folge haben, was wiederum politische Lähmung und wirtschaftliche Unsicherheit bedeuten würde. Alternativ könnte ein erzwungener Kompromiss das Gesetz so stark verwässern, dass weder effektiver Klimaschutz noch wirtschaftliche Planungssicherheit gewährleistet sind, was die Glaubwürdigkeit der Regierung schwächen und extremere politische Kräfte stärken könnte.

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Das planen CDU, CSU und SPD

Zwar gehen mit Themen wie das Heizungsgesetz offenbar noch immer Probleme einher, Einigkeit herrscht hingegen etwa in puncto Finanzierung: CDU, CSU und SPD planen ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro, um in Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung und Energie zu investieren. Gleichzeitig soll die Schuldenbremse bestehen bleiben, aber den Ländern eine jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) ermöglicht werden. Die Parteien wollen Deutschland zudem als Industriestandort stärken: „Wir werden den Standort Deutschland wettbewerbsfähig machen – mit Vertrauen, Entschlossenheit und Planungssicherheit.“ Dazu gehört die Senkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß – also 0,05 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – und die Halbierung der Netzentgelte.

Das Bürgergeld will die potenzielle GroKo in eine neue Grundsicherung umwandeln, mit stärkeren Sanktionen für Arbeitsunwillige. Ziel sei eine schnelle Vermittlung in Arbeit: „Für die Menschen, die arbeiten können, soll der Vermittlungsvorrang gelten.“ Die Rente bleibe stabil, eine weitere Anhebung des Rentenalters schließen die Parteien aus. Anreize für längeres Arbeiten würden geschaffen, indem bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei blieben. Zudem werde die Mütterrente ausgeweitet, und neue Selbstständige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung integriert werden.

Irreguläre Migration wollen Union und SPD „deutlich reduzieren“. Geplant sind unter anderem:

  • Zurückweisungen an den Grenzen bei Asylgesuchen „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“
  • Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wird ausgesetzt
  • „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern“
  • Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber, um Bargeldzahlungen zu begrenzen
  • Rückführungsoffensive soll verstärkt und die Zahl der Abschiebehaftkapazitäten ausgebaut werden

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„Wir wollen Klimaschutz“

Um den Wohnungsbau zu fördern, setzen die Parteien auf „Anreize und Innovationsoffenheit“. Die Verfahren sollen durch den Gebäudetyp E vereinfacht werden. Der soziale Wohnungsbau wird ausgebaut, gleichzeitig wird die Mietpreisbremse um zwei Jahre verlängert. Die Parteien wollen „Wohnen für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten“, ohne dabei einseitig Eigentum oder Mietwohnungen zu bevorzugen.

Die Parteien bekennen sich zu den deutschen und europäischen Klimazielen, betonen aber die Notwendigkeit einer pragmatischen Umsetzung: „Wir wollen Klimaschutz, soziale Ausgewogenheit und wirtschaftliches Wachstum pragmatisch und unbürokratisch zusammenbringen.“ Geplant sind der Ausbau erneuerbarer Energien, der Bau von bis zu 20 Gigawatt (GW) neuen Gaskraftwerken sowie die Förderung von CO-Abscheidung und Speicherung (CCS) für die Industrie. Der Automobilstandort Deutschland soll durch Technologieoffenheit erhalten bleiben.

  • Das Deutschlandticket wird überprüft, ebenso der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)
  • Ein neues Gewaltschutzgesetz soll Frauen besser schützen
  • Der Digital Services Act (DSA) soll konsequent durchgesetzt werden, um Desinformationen zu bekämpfen
  • Prüfung einer Reform des Wahlrechts
  • Stärkere Förderung von Forschung und Digitalisierung, u. a. durch eine Hightech-Agenda mit dem Ziel: „Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.“

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Harte Kritik der Grünen

„Nachdem CDU und SPD ihre Pläne noch einmal konkreter vorgestellt haben, ist klar, dass sie damit noch weiter von dem entfernt sind, was wir Grünen für richtig halten, als bislang gedacht“, erklärte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ). Es sei nicht sinnvoll, Investitionsmittel aus dem Bundeshaushalt in ein Sondervermögen zu verschieben, um „Finanzspielraum für schwarz-rote Projekte zu schaffen“. Für ernsthafte Verhandlungen mit den Grünen brauche es mehr. Friedrich Merz habe sich, so die SZ, offen dafür gezeigt.

„Wir werden keinem Paket zustimmen, das die Klimakrise wie eine Spinnerei behandelt oder zulassen, dass notwendige Investitionen einfach in ein Sondervermögen verschoben werden, um Platz im Haushalt zu schaffen“, ergänzte die frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang. Via X zeigt sie sich gegenüber den Sondierungsgesprächen spöttisch, bezeichnet die mögliche Zusammenarbeit aus Union und SPD etwa als Kleine Koalition (KleiKo) und schrieb: „Gebt den Sondierungen noch zwei Wochen und Markus Söder baut uns allen kiffend ne Wärmepumpe ein.“

Aus Sicht von Timon Dzienus, Sprecher der Grünen Jugend, seien vor allem die Einigungen der Parteien in Migrationsfragen „unmenschlich und gefährlich“. Ihn zitierte die SZ: „Vor ein paar Wochen brauchte Merz dafür noch die Faschisten, jetzt will die SPD abstimmen wie die AfD.“

Spöttische und strikte Tonalität wie diese könnte riskant sein. Während sie die eigene Basis mobilisiert, könnte sie die Gesprächsbereitschaft mit CDU/CSU und SPD erschweren. Ob diese Kritik den Druck auf die Verhandlungen erhöht oder eher zur Ausgrenzung der Grünen aus möglichen Koalitionsgesprächen führt, bleibt abzuwarten. Es liegt nun an den Parteien – insbesondere an Union und SPD – die goldene Mitte zu finden, um eine stabile Bundesregierung sicherzustellen.

Quelle: Sondierungspapier (CDU, CSU und SPD); Süddeutsche Zeitung

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